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Die angekündigte Entlassung von 4.000 Arbeitern und Angestellten des Versandhauses Quelle in Nürnberg stellt nur den Beginn weit größerer Entlassungswellen nach der Bundestagswahl im September 2009 dar. Weit größere Massenentlassungswellen sind von den Managern der großen Konzerne geplant.1 So sollen nach Zeitungsberichten konzernweit jeweils mehrere Zehntausende - aus den großen Konzernen Thyssen-Krupp, Daimler, Opel und Siemens – in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Alleine in der Automobilindustrie existieren weltweit riesige Überkapazitäten, die das Ergebnis der Überausbeutung der Automobilarbeiter ist. Bis 2013 ist der Abbau von 240.000 Arbeitsplätzen bei den Automobilkonzernen in der BRD zur „Bewältigung“ der Weltwirtschaftskrise geplant. Gegen diese Wellen der Massenentlassungen müssen die Gewerkschaften, wollen sie glaubwürdig und ernst genommen werden, den Kampf organisieren. Dabei kommt es darauf an, die Politik der Klassenzusammenarbeit (im Rahmen der Sozialpartnerschaft), der Sozialpläne (zur Gestaltung des Arbeitsplatzabbaus) und Kirchturmpolitik, die lediglich Arbeitsplätze für den eigenen (nationalen) Standort oder Konzern „retten“ möchte, zu überwinden, um so den Kampf um jeden Arbeitsplatz und das Verbot von Kündigungen führen zu können. Hierbei stehen die Gewerkschaften in der Pflicht, Kundgebungen, Demonstrationen, Streiks und Betriebsbesetzungen im Kampf gegen den konkreten geplanten Arbeitsplatzabbau zu organisieren.


Für Einheitsfront und Arbeitsbeschaffung

Dabei muss in der Weltwirtschaftskrise das enge Kampfbündnis der betroffenen Be-triebsarbeiter mit den schon Erwerbslosen mit der gesamten werktätigen Bevölkerung geschaffen werden. Hierbei spielt die Politik der Gewerkschaften sowie die Mobilisierung der werktätigen Massen durch die Gewerkschaften die entscheidende Rolle. Eine solche Mobilisierung der werktätigen Bevölkerung und der interessierten Öffentlichkeit hat z.B. zum Teilerfolg im jüngsten Streik der IG Bau bei den Gebäudereinigern geführt.2 Eine solche Antikrisenpolitik der Gewerkschaften muss von den Interessen der werktätigen Bevölkerung (im Wesentlichen also den von Arbeitslosigkeit bedrohten Betriebsarbeitern und den Erwerbslosen und deren Familie) ausgehen und könnte folgende Parolen umfassen:
  • 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich (so müsste eine Kampagne für den Sechsstundentag und die Fünftagewoche geführt werden).
  • mindestens 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn (was der heutigen Verarmung von brieten Schichten der Arbeiterklasse entgegenwirken würde).
  • Mindestens 500 Euro Arbeitslosengeld II, besser sogar Arbeitslosenunterstützung in Höhe des vollen Lohns für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit.
  • Abschaffung aller Hartz-Gesetze. So gehören die Minijobs, Ein-Euro-Jobs, die nichts anderes sind als eine Arbeitsdienstpflicht für Erwerbslose darstellen, und die Einführung der Leiharbeit abgeschafft.
  • Kurzarbeitergeld in Höhe des vollen Lohnes.
  • Volle Rente mit 60 Lebensjahren ohne Abzüge.

Gleichzeitig sollte für die Verbesserung der Lebenslage der Erwerbslosen gekämpft werden, was durch die alte Forderung „Arbeiterkassen in Arbeiterhand“ z.B. bei der Arbeitslosenversicherung bedeuten würde, dass diese durch die Unternehmer und den Staat finanziert und durch die Selbstverwaltung der Arbeiter und ihrer Gewerkschaften ausgestaltet wird. Dies wirkt auch der schritt weisen Einführung einer Arbeitsdienstpflicht für Erwerbslose, Kürzung der Unterstützungsleistungen usw. entgegen.

Finanziert werden können diese politischen Forderungen durch die Streichung der Ausgaben für die „Verteidigung“, Streichung der Ausgaben für Polizei, Kürzung der Gehälter und Pensionen der oberen Beamten, Manager, Politiker ua., Streichung aller Zuschüsse für Kirchen und kirchliche Unternehmen, Erhebung einer Millionärsteuer usw.

Weitere konkrete politische Forderungen für heute, lassen sich aus den Erfahrungen des Kampfes der KPD in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 ableiten, die im Arbeitsbeschaffungsplan der KPD vom Mai 1931 niedergeschrieben sind.


Kommunistische Agitation und Propaganda

Gleichzeitig müssen Illusionen bekämpft und klar gesagt werden, dass die Beseitigung der Geißel der Erwerbslosigkeit für die Arbeiterklasse nur durch die Beseitigung des Kapitalismus zu erreichen ist. Denn das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation3 lautet: „Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee4. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus5.“6

Die Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus (absolute und re-lative Verelendung) kommt nicht nur darin zum Ausdruck, dass sich die Lage der in-dustriellen Reservearmee verschlechtert, nicht nur in der Zunahme des Pauperismus, sondern auch in der Verschlechterung der Lage der beschäftigten Arbeiter (Angriffe auf Tarifverträge, Lohnkürzungen in verschiedenster Form, unbezahlte Arbeitszeitverlängerungen usw.).


Organisierung der Erwerbslosen

Um die Erwerbslosen massenhaft in eine organisierte Kraft zu verwandeln, steht an erster Stelle die Ausweitung der gewerkschaftlichen Arbeit unter den Erwerbslosen, die dann auch in der Lage ist, die breiteste Einheitsfront der Betriebsarbeiter und der Erwerbslosen auf Grundlage der politischen Forderungen der Einheitsfront (durch die Gewerkschaften) herzustellen.

Dazu müssen sich die regionalen IGM- und ver.di-Erwerbslosenausschüsse die jeweiligen Arbeitsagenturen oder ARGEN in ihrem Wirkungskreis vornehmen und dort für die politischen Forderungen der Einheitsfront offensiv werben. Dies kann durch regelmäßige AgitProp-Aktionen vor oder in den Arbeitsagenturen und ARGEN geschehen. So können, z.B. jeden Monat bei der Bekanntgabe der neuesten Arbeitslosenzahlen durch die Nürnberger Bundesagentur, Flugblätter verteilt, Straßentheateraktionen, Kundgebungen oder Demonstrationen durchgeführt werden. Außerdem können laute, politische Gespräche von Kolleginnen und Kollegen in den Warteräumen der Arbeitsagenturen oder ARGEN geführt werden, damit die Kollegen in Kontakt mit den anderen Erwerbslosen kommen und diese organisieren können. Hier muss dann das Recht auf freie politische Betätigung in den Arbeitsagenturen gegen den staatlichen Gewaltapparat durchgesetzt werden. Also Bundeswehr, Polizei und private Sicherheitsdienste raus aus den Arbeitsagenturen. Daneben können die gewerkschaftlichen Erwerbslosenausschüsse auch konkrete Rechtsberatung über die Arbeits- und Sozialgesetze sowie Begleitung zu den Arbeitsberatungsgesprächen anbieten. Das enge Kampfbündnis mit den Betriebsarbeitern kann durch Unterstützung von Aktionen der Betriebsarbeiter geschmiedet werden, wie z.B. Beteiligung an Demonstrationen oder Unterstützung von Streiks, Betriebsbesetzungen usw. Genauso müssen die Betriebsarbeiter in die Aktionen der Erwerbslosen soweit möglich mit einbezogen werden.

Bei dieser Arbeit muss beachtet werden, dass auch aktuelle, konkrete und regionale Teilforderungen aufgegriffen und mit den allgemeinpolitischen Forderungen verbunden werden. So kann ein Kampf z.B. für Vergünstigungen (z.B. freier Eintritt in Kultur- und Freizeiteinrichtungen, günstige Gas-, Wasser- und Strompreise bei den kommunalen Versorgungsbetrieben), für die volle Übernahme der Miete, für ein Sozialticket im Öffentlichen Personen Nahverkehr oder Einrichtung von Volksküchen für Erwerbslose und Sozialhilfeempfänger geführt werden. Zur Durchsetzung dieser Teilforderungen können auch linke Kommunalpolitikerinnen und –politiker eine wichtige Rolle spielen und sollten miteinbezogen werden.


Anmerkungen:

1Siehe „welt-online“ vom 02.11.2009
2 Siehe dazu junge Welt 30.10.-01.11.2009, S. 8 sowie Rote Fahne (der MLPD), 06.11.2009, S. 12-13
3 „Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital.“ (Karl Marx) Der Kapitalist verwendet einen Teil des Mehrwerts zum Kauf von zusätzlichen Produktionsmitteln und Arbeitskräf-ten, um die Produktion zu erweitern.
4 Chronische Armee der Erwerbslosen und aus dem Arbeitsleben gedrängten Massen im Kapitalismus.
5 Massenelend breiter Volksschichten im Kapitalismus.
6 Karl Marx, Das Kapital. Erster Band. In: MEW 23, S. 673-674


Material/Literatur:

Zur Bedeutung der industriellen Reservearmee im Kapitalismus
  • Karl Marx, Das Kapital. Erster Band. (1867) In: MEW 23, S. 510-511 und S. 670-677
  • MASCH, Kursus: Politische Ökonomie, (1930), Reprint 1970, S. 119-128
  • Politische Ökonomie. Lehrbuch, Berlin/DDR, 1955, S. 166-169
  • Willi Winkler, Die Entwicklung der industriellen Reservearmee. In: MASCH, Der Marxist, (1931), Reprint 1970, Heft 1/3, S. 30-32 und Heft 2/2, S. 26-28
  • Ursachen und Folgen chronischer Massenarbeitslosigkeit. In: IPW-Forschungshefte 3/1982


Zum Kampf gegen Erwerbslosigkeit in der Weltwirtschaftskrise 1929-1933
  • Arbeitsbeschaffungsplan der KPD (Mai 1931). In: Ernst Thälmann, Für ein freies sozialistisches Deutschland, Auswahl der Reden und Schriften 1930-1933, Band III, Stuttgart, 1977, S. 131-139 oder: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden, Band 4, Berlin/DDR, 1966, S. 547-554
  • Walter Ulbricht, Ãœber Aufgaben, Methoden und Formen der Erwerbslosenbewegung (August 1931). In: Walter Ulbricht, Ãœber Gewerkschaften, Band 1, Berlin/DDR, 1953, S. 335-364
  • Fritz Schulte, Die RGO im Angriff (November 1932). In: Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO), Band 2, Berlin, 1972, S.351-353
  • Ossip A. Pjatnizki, Brennende Fragen (März 1931). ). In: Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO), Band 2, Berlin, 1972, S. 232-253 und S. 261-262
  • Heinz Evers, Der Kampf der Arbeitslosen muss besser organisiert werden! (September 1930) In: Betrieb und Gewerkschaft, Heft 17/18, September 1930
  • Aufbau und Aufgaben der Erwerbslosengruppen der RGO (Oktober 1930). In: Betrieb und Gewerkschaft, Heft 19/20, Oktober 1930
  • Wilhelm Pieck, Der neue Weg zum gemeinsamen Kampf für den Sturz der Hitlerdiktatur (Brüsseler Konferenz der KPD 1935), Berlin/DDR, 1954, S.8-31


 
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