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Die Regierungen der G-7 sind sich scheinbar einig: Protektionismus darf es nicht geben. „Buy american“ – pfui Obama! Sarkozys Plan, Peugeot, Citroen und Renault nur zu stützen, wenn sie nicht im Ausland produzieren, schafft Empörung. Sarkozy schwört ab. Frau Merkel fordert, alle Länder müssten sicherstellen, dass ihre Konjunkturpakete nicht den Handel störten. Deutschland als größte Exportnation, die hofft den Aufschwung mit den Konjunkturpaketen der andern zu erreichen, muss dies natürlich am meisten fürchten. Die G-7 sagen dem Protektionismus den Kampf an, so die Abschlusserklärung ihres Treffens im Februar.

Der Protektionismus nach 1929 habe alles nur verschlimmert, heißt es. Stimmt. Doch gehandelt wird anders. Die FDT urteilt nüchtern: „Wir wollen freie Märkte, aber bitte nur auf dem Papier. Protektionismus ist weltweit auf dem Vormarsch: 17 der weltweit 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben Bestimmungen umgesetzt, die den Handel mit anderen Ländern einschränken – obwohl sie sich erst vor vier Monaten dazu verpflichtet hatten, protektionistische Schritte zu vermeiden. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Weltbank am Dienstagabend in Washington veröffentlichte.“ (FTD 18.3.09)

So prallen weltweit wieder nationale Interessen aufeinander, da die Monopole sich in der Krise verstärkt auf ihre Heimatbasis zurückziehen. Kollektive Interessen – die es natürlich nach wie vor gibt – schwinden zusehends, es geht darum, wer überlebt und von der Krise profitieren kann.

Protektionismus durch Konjunkturpakete

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„Und nach der Krise – Die KRISE“ oder die Einheit der Imperialisten ist relativ, ihre Widersprüche absolut!
Was sind die großen Konjunkturpakete der europäischen Staaten, der USA, Chinas oder Indiens, was sind ihre Stützungsaktionen für die Autoindustrie mit Milliardenzahlungen anderes als Protektionismus? Auch in Deutschland ist das nicht anders, wo die Autokonzerne über ihre eigenen Banken von staatlichen Hilfen profitieren. Die Debatte um Opel geht vor allem darum, wie Staatsgelder den Betrieb retten könnten, ohne dass sie in den USA bei GM ankommen. Die Bezieher von Hartz IV wurden diffamiert, dass mehr Geld für sie nur der japanischen oder chinesischen Elektroindustrie helfen würde. Russland verteuert ausländische Autos, Indien fremden Stahl. Die EU hat im Januar beschlossen, wieder Exportsubventionen für Milchprodukte einzuführen. Die USA hat zwar die Bevorzugung der einheimischen Industrie im laufenden Konjunkturprogramm auf Proteste hin abgemildert, aber sie hat seit Jahren schon eine Klausel, dass bei allen staatlichen Infrastrukturprogrammen Eisen und Stahl von US-Herstellern Vorrang hat. Außer den Konjunkturprogrammen sind es vor allem Zollerhöhungen und die Subventionierung ganzer Branchen (Auto, Stahl, Textil ...), die die eigene Industrie schützen sollen.

Das Hauptaugenmerk der Regierungen gilt allerdings den Banken, in die nach wie vor Milliarden gepumpt werden. Denn der Ausleihemarkt zwischen den Banken und an die Industrie stockt immer noch massiv, obwohl die Banken ja gerade dafür Kapital und Bürgschaften erhalten haben. Das ruiniert zwar die Wirtschaft, ist aber aus ihrer Sicht ganz verständlich, dient doch die Krise dazu, den schwächeren Banken die nicht so viele Reserven haben, die Luft abzudrücken. Vor allem spanische, französische und niederländische Banken befinden sich auf Einkaufstour. Die FAZ schrieb am 29.9.08: „Anstatt eine gesamte Bank mit ihrem Gesamtrisiko zu übernehmen, ist es klüger, sich nach dem Zusammenbruch die besten Teile herauszufischen und das Risiko dem Staat zu überlassen.“

Nationale Bankenpolitik

[file-periodicals#68]In der Bundesrepublik sorgte die Regierung tatkräftig dafür, dass die wichtigsten deutschen Banken nicht zu Übernahmekandidaten werden. Für 18 Milliarden Euro wurde die Commerzbank teilverstaatlicht – nach aktuellem Marktwert von derzeit ca 3 Milliarden Euro hätte der Bund die Bank gleich sechsmal kaufen können! Aber bekommen hat er nur 25% plus 1 Aktie. Dadurch konnte die Commerzbank die verlustreiche Dresdner Bank der Allianz abkaufen. 5 Milliarden Euro – d.h. also praktisch 5 Milliarden an Steuergeldern – hat sie dem mächtigen und reichen Versicherungskonzern in den Rachen gestopft.
Das sei gut für den Finanzplatz Deutschland, meinte Steinbrück, der den „zweiten nationalen Champion“ begrüßt. Das Schreckgespenst eines chinesischen Mitbieters konnte mithilfe politischen Drucks verscheucht werden. Der Betriebsrat hätte die China Development Bank bevorzugt, weil dadurch mehr Arbeitsplätze hätten gerettet werden können.

Und die Deutsche Bank – stolz darauf, keine staatlichen Hilfen in Anspruch zu nehmen – bezahlte den Einstieg bei der Postbank mit neuen, eigenen Aktien, so dass die Post dann größter Einzelaktionär der Deutschen Bank wurde. Damit ist indirekt auch der Staat an der größten deutschen Privatbank beteiligt, weil ihm über die KfW-Gruppe Teile der Post gehören.

Euro in Gefahr?

Die Euro-Zone sieht sich enormen Spannungen ausgesetzt, weil die meisten europäischen Staaten für ihre Schulden höhere Zinsen zahlen müssen als die BRD. Die Möglichkeit, ihre Währung zum Schutz der heimischen Industrie wie früher abzuwerten, haben sie auch nicht mehr. Die BRD lehnt aber eine Euro-Anleihe, bei der andere Länder von der Bonität Deutschlands profitieren könnten, heftig ab. Erst beim Staatsbankrott eines Landes ist Steinbrück bereit einzuspringen, um ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone zu verhindern. (Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors hält sogar laut SZ vom 18.3.09 ein Auseinanderbrechen der Währungsunion für möglich. Das wird Steinbrück jedoch zu vermeiden suchen.)

Ziel Schwächung der USA

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Frankfurt am 28.03.2009
In seiner Regierungserklärung am 25.9.08 sah Steinbrück die Krise auch als Chance: „Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren. Das Weltfinanzsystem wird multipolarer.“ So sieht er die BRD schon als gleichberechtigten Partner mit den USA und tut alles dazu, die USA weiter zu schwächen.
So ist es der US-Regierung nicht gelungen, weltweit große Konjunkturprogramme durchzusetzen, um die eigenen Exporte zu befeuern und nicht weitgehend allein die Rettung des Kapitalismus zu bezahlen. Sie scheiterte an einer von Merkel und Sarkozy gebildeten Abwehrfront der EU bereits im Vorfeld des geplanten G 20-Gipfels am 2. April in London. Hier ist es trotz der innerhalb der EU aufbrechenden Widersprüche noch einmal gelungen, die europäischen Regierungen zu vereinen. Merkel, Sarkozy und Co. sind bereit, eine länger andauernde und tiefere Krise mit mehr Pleiten und mehr Arbeitslosen zu riskieren. Sie wollen dann von den fremden Konjunkturprogrammen profitieren und spekulieren darauf, so den Aufschwung zu schaffen. Dazu passt auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die als einzige große Notenbank noch nicht auf die Nullzinspolitik und die Ausweitung der Geldmenge als Mittel gegen drohende Deflation eingeschwenkt ist. Im Gegenzug sind die Europäer stärker für eine Regulierung der Finanzmärkte, um die Dominanz der Wall Street zu brechen.

So wähnt sich der deutsche Imperialismus auf der Siegerstraße (er hofft, noch mehr als Frankreich beim Export abzusahnen) – ob sein Kalkül aufgeht, ist allerdings nicht ausgemacht.
In der Krise verschärfen sich die Interessengegensätze zwischen den Monopolen. Trotz aller Beteuerungen zu globalen Lösungen, und vielleicht sogar subjektivem Bemühen, werden die Regierungschefs von den Monopolen zu nationalen Rettungsplänen gedrängt. Die Dominanz der Nationalstaaten bei der Krisenbewältigung ist offensichtlich. Das EU-Rettungspaket war nicht viel mehr als eine Zusammenfassung der verschiedenen nationalen Krisenpakete. Es wird deutlich, wie die Monopole die Krise zu bewältigen suchen: mit Hilfe ihrer Heimatbasis, den Nationalstaaten, die sie sich weitgehend untergeordnet haben. Diese haben die Aufgabe, einerseits die Krise auf die Bevölkerung abzuwälzen und andererseits die Konzerne vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen und sie bei der Eroberung neuer Märkte zu unterstützen.


 
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