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Am 16. Juni 2007 ist der Fusionsprozess der Linkspartei.PDS und der WASG beendet und die neue Partei "Die Linke" gegründet. Aber erst die Zeit danach wird zeigen, welchen Beitrag diese Partei zur Konsolidierung der Linken und der demokratischen und Arbeiterbewegung leisten kann

-und will. Es ist eine objektive Notwendigkeit, die Zusammenführung, die Aktionseinheit aller linken Parteien, Organisationen und Persönlichkeiten anzustreben. Legitim ist auch die Schaffung einer gesamtdeutschen Partei in einem solchen Prozess. Im Interesse der Bewegung und der neuen Partei selbst sollte sie aber sozialistisch und dadurch links sein. Die Chance, eine gesamtdeutsche sozialistische Partei zu gründen, wurde vertan.

Die Erwartungen und Hoffnungen waren und sind noch immer groß, dass die neue Partei "Die Linke" zu einem weiteren Sprecher der antikapitalistischen Opposition, zu einer partei- und gesellschaftspolitisch konsolidierten Kraft wird, die die Kämpfe der Zeit unter Berücksichtigung der Erfordernisse aus den kapitalistischen Bedingungen und der Erfahrungen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung führt.

Lücke zur SPD verkleinern

Betrachtet man die "Programmatischen Eckpunkte - Programmatisches Gründungsdokument der Partei Die Linke" und die bisherige Praxis ihrer führenden Vertreter, so ergibt sich die Schlussfolgerung, dass sie von einer starken tagespolitischen Ausrichtung geprägt werden, ohne eindeutige Einbettung in die Bewegung der Gesellschaft. Darunter leiden nicht nur die programmatische Substanz, sondern auch die Konsequenz und die Nachhaltigkeit ihres Wirkens gegen die Zerstörung des sozialstaatlichen Gebäudes, gegen Demokratieabbau sowie gegen Kriegsführungspolitik und Militarisierung der Gesellschaft. Es leidet auch die Überzeugungskraft der Partei gegenüber den Massen und ihre Mobilisierungsfähigkeit im Kampf um die Durchsetzung der legitimen Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung.

Eine solche Partei ist nicht zufälliges Ergebnis einer zufälligen politischen Konjunktur. Sie ist von den führenden Köpfen der Partei bewusst angestrebt worden.

Gregor Gysi zum Beispiel formulierte schon sehr früh vor Beginn des Fusionsprozesses: „Bliebe die PDS einfach bei ihrem bisherigen Profil stehen, wehrte sie sich erfolgreich dagegen, linke sozialdemokratische Positionen zu vertreten, dann entstünde zwischen ihr und der in die Mitte wandernden SPD eine immer größere Lücke. Die PDS müsste in einem höchst bewussten politischen Vorgang beides versuchen, nämlich die Lücke zwischen sich und der SPD nie zu groß werden zu lassen, dabei auch Änderungen des eigenen Profils hinzunehmen und dennoch Unkenntlichkeit zu vermeiden." (Gregor Gysi, Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn, Hamburg 2001, S. 310/311)

Marxisten marginalisieren

Als Orientierungsgröße für die führenden Köpfe der PDS gilt also seit den 90er Jahren die SPD und die "Bewegung" der SPD nach rechts. Ein wichtiges Element, das dafür eingesetzt wurde und wird, wurde von Gysi aus gleichem Anlass wie folgt beschrieben: "Für die Fortsetzung des Erneuerungsprozesses in der PDS", wie dieser Weg auf den Pfaden der rechten SPD-Führung beschrieben wurde, "gibt es nur eine Chance, nämlich dass die Mehrheit der Mitglieder diese Fortsetzung will und deshalb diejenigen marginalisiert, die zu dogmatisch-ideologischen Denk- und Verhaltensstrukturen zurückkehren wollen", wie er das Gedankengebäude von Marx, Engels, Lenin und deren Vertreter diffamiert. (Ebenda, S. 293/294)

Der Charakter und das Programm der neuen Partei wurden weitgehend solchen Bestrebungen angepasst. Die in den Dokumenten dargelegten Konturen der neuen Partei deuten auf ein Selbstverständnis hin, das zunehmend von der Verinnerlichung der herrschenden ideologischen Leitbilder, die im Rahmen der rechten Sozialdemokratie (Sozialistische Internationale) seit Beginn der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts auf die neuen Bedingungen des Klassenkampfes angepasst und als antikommunistische Konzeption in Denkfabriken vor allem der USA ausgedacht und entwickelt wurden.

Sie sind zweitens von der Akzeptanz der sozialökonomischen und politischen Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft und von einem Verzicht bzw. Verwässerung des sozialistischen Zieles geprägt.

Kapitalismus gestalten

Oskar Lafontaine, einer der Vorsitzenden der neuen Partei, hat seine Sicht und den übereinstimmenden Standpunkt der Führung der Partei Die Linke sehr deutlich und kategorisch ausgesprochen. „Zukünftige Generationen mögen darüber nachdenken, ob sie weiter nach kapitalistischen Grundsätzen wirtschaften wollen oder nicht und nach besseren Alternativen suchen. Für meine Generation ist die Entscheidung gefallen: Eine bessere Alternative war jener Staatssozialismus, der bis 1990 real existierte, mit Sicherheit nicht, und nirgends zeichnet sich derzeit im Grundsätzlichen eine bessere ab. Deshalb kämpfe ich politisch nicht für die Abschaffung, sondern für die soziale Ausrichtung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, für die Regulierung der Märkte zum Wohle aller. Und dafür, dass aus einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung keine kapitalistische Gesellschaftsordnung und erst recht keine kapitalistische Lebensordnung werden kann."(Oskar Lafontaine, Meine Politik, Unveröffentlichtes Manuskript. Zitiert nach: Junge Welt vom 10.03.2007)

Der letzte Satz bedarf sicher noch mancher Erläuterung! Sonst ist die Aussage eindeutig und skizziert die gewollte künftige Entwicklung der neuen Partei und deren Politik. Hier und auch in den Gründungsdokumenten wird an keiner Stelle sichtbar, dass man die Absicht verfolgt, vom grundlegenden Widerspruch zwischen den Interessen des Kapitals einerseits und denen der Arbeiterklasse und aller Lohn- und Gehaltsabhängigen auszugehen. Es wird gegen die historische Wahrheit verstoßen und die kapitalistische Wirklichkeit wird simplifiziert. Marxistische Begründung von Programm und Politik wird radikal entsorgt. Geschichte wird instrumentalisiert. Allein für eine reformkapitalistische Sicht und Politik bleibt noch Platz.

Die Vorstellungen über die neue Partei sind in der Mitgliedschaft sehr differenziert und auch widersprüchlich. Im Prozess der Gründung der Partei Die Linke hat sich allerdings das Konzept durchgesetzt, dass die Partei - jedenfalls zurzeit "ein Korrektiv" für fehlende sozialdemokratische Politik sein müsse. Diese hat die Funktionen einer reformistischen sozialdemokratischen Partei zu erfüllen, die bestenfalls noch zentristisch ausgerichtet ist.


 
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