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Naturwissenschaftliche Forschung ist nichts anderes als das Bemühen des Menschen, die Natur und ihre Gesetze immer genauer zu erkennen. Der Mensch ist dabei gleichzeitig Teil dieser Natur. Die Fähigkeit des Menschen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erkennen, hat seine historischen Grenzen, die sich jeweils verändern mit der Entwicklung der Produktivkräfte. Der Mensch der Steinzeit entdeckte das Feuer und machte seine Erfahrungen mit dessen Anwendung. Der Mensch der Neuzeit machte und macht seine Erfahrungen mit dem Otto-Motor. Die Entwicklung der Erkenntnis ist wie die Entwicklung der Produktivkräfte nicht gleichmäßig und nur in eine Richtung gehend, sondern dialektisch, d.h. widersprüchlich und sprunghaft zugleich. Nach Zeiten der Stagnation oder gar des Rückwärtsgangs folgen Zeiten des stürmischen Fortschritts innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte. Ganze Entwicklungslawinen wurden losgetreten durch die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften: die Elektrizität, Elektronik, Kunststoffe, moderne Medikamente usw. Selbst religiöse Menschen können, wenn sie ehrlich sind, eingestehen, dass es beim Erkennen der Naturgesetze im Laufe der Geschichte keine „gottgewollten“ Grenzen gab, sondern nur jene Grenzen, die Menschen im eigenen Herrschaftsinteresse gezogen haben. So untersagte beispielsweise die päpstliche Inquisition im Namen der römisch-katholischen Kirche im Jahre 1616 – wohlgemerkt wider besseren Wissens – Galileo Galilei die Verbreitung der Erkenntnis, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums sei. Erst 1835 wurden seine verbotenen Werke vom Index der katholischen Kirche wieder gestrichen.

Die jeweils herrschenden Machtverhältnisse in einer Gesellschaft können durch gezielte Verbote den Fortschritt der Forschung behindern, aber nicht aufhalten. So konnte zwar durch das kirchliche Verbot von „Leichenöffnungen“ der Fortschritt in der Medizin zeitweilig behindert werden. Doch wie die feudalen Herrschaftsstrukturen durch die bürgerlichen Gesellschaftsverhältnisse abgelöst wurden, so wurden auch die geistigen Grenzen des Mittelalters und des Feudalismus niedergerissen und gleichzeitig der geistes- und naturwissenschaftlichen Erkenntnis neue Möglichkeiten eröffnet. Literatur, Kunst und Musik strebten neuen Ufern entgegen.
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Forscher, in wessen Hände gibst du deine Erkenntnisse?
Leonardo da Vinci und Michelangelo sind zu ihrer Zeit großartige Küstler und Wissenschaftler gewesen, jedoch sind sie nicht denkbar ohne den Reichtum und die Bedürfnisse der Patrizier und Fürsten in den italienischen Städten. Die großen religiösen Kunstwerke eines Michelangelo in der sixtinischen Kapelle sind nicht denkbar ohne die Bedürfnisse der Kirche und ihres Papstes Julius II. nach Machtdemonstation.
Auch heute sind die Erkenntnisse der Atomphysik, der Biochemie und Molekulargenetik und deren Anwendungen undenkbar ohne die Entwicklung der großen Industrie, auch wenn sie uns im Gewand des Imperialismus entgegentritt. „Aber kein Marxist wird vergessen, dass der Kapitalismus im Vergleich zum Feudalismus und der Imperialismus im Vergleich zum vormonopolistischen Kapitalismus progressiv ist.“1

Auch heute werden durch staatliche, oft auf christlich-religiöser Grundlage fußende Gesetze Grenzen für die Forschung gezogen. Dies betrifft auch die Forschung mit Stammzellen und insbesondere die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Der Streit um die Grenzziehung kulminiert derzeit in der unsinnigen Debatte über den genauen Beginn des menschlichen Lebens. Die Kirchen und das Bundesverfassungsgericht proklamieren immer noch: Menschliches Leben beginnt mit der Befruchtung der Ei- durch die Samenzelle.

Andere meinen, dass das menschliche Leben erst mit der erfolgreichen Einnistung des Embryos in die mütterliche Gebärmutter beginnt. Ein Blick über unseren abendländisch-christlichen Gesichtskreis hinaus zeigt, wie sehr diese Festlegungen kulturell bedingt sind: In der jüdischen Kultur beginnt das menschliche Leben am 60. Tag nach der Befruchtung, in der japanischen Kultur beginnt das Leben erst mit der Geburt.
Dies ist ein genauso müßiger wie vom naturwissenschaftlichen Standpunkt unsinniger Streit. Die Entstehung des menschlichen Lebens ist ein fortwährender Prozess, in dem sich das befruchtete Ei und der sich entwickelnde Embryo in ständiger Auseinandersetzung mit dem mütterlichen Körper befindet. Eine Auseinandersetzung auf Leben oder Tod. Eine Antwort auf die Frage: „Wann genau beginnt menschliches Leben?“ kann unter ausschließlicher Berufung auf wissenschaftliche Methoden nicht gegeben werden. Diese Grenzziehung wie auch die so genannte „Unantastbarkeit des menschlichen Lebens“ ist eine soziale Frage, die in der jeweils historischen Auseinandersetzung der gesellschaftlichen Klassen entschieden wird. Die Kirchen machen mit ihrem „Hauptsatz“ des Beginns allen menschlichen Lebens de facto alle Frauen, die Empfängnisverhütung mittels einer Spirale betreiben, zu Massenmörderinnen. (Die Spirale verhindert die Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter.) Ehepaare, die sich zur IVF (In vitro Fertilisation=künstliche Befruchtung) entschlossen haben, werden zu mordenden Monstern, die planvoll unter Hinzuziehung eines Ärzteteams einen ausgeklügelten Mordplan oder sogar mehrere Morde ausführen (einige Embryos werden bei der IVF in der Regel vernichtet). Die Kirchen haben von jeher Sorge, ihr Einfluss auf die Menschen könnte weiter schwinden und daher warnen sie auch heute wieder vor dem Eingriff des Menschen in die „göttliche Schöpfung“.

Gleichzeitig treibt die Angst viele Menschen, Christen und Nichtchristen dazu, die Forschung auf diesem Gebiet grundsätzlich abzulehnen. Sie haben berechtigte Sorge vor der skrupellosen kapitalistischen Ausbeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse im Profitinteresse großer Konzerne. Sie sehen aus ihrem kleinbürgerlichen Blickwinkel aber meist nicht, dass es nicht die Forschung und deren Erkenntnisfortschritt an und für sich ist, was sie bekämpfen müssen, sondern dass es die Eigentumsverhältnisse sind, unter denen dies stattfindet. Das Monopol diktiert global, was geforscht und was verwertet wird. Der Monopolkapitalismus ist die Grundlage dafür, dass auch in der Biotechnologie die Gewinne privatisiert und die Kosten und etwaige Kurz- und Langzeitschäden sozialisiert werden auf dem Rücken der Werktätigen weltweit.

Erforschung der Natur ist risikoreich

In der Natur gibt es einen ständigen Wechsel von Werden und Vergehen. Dieser Prozess ist zwangsläufig. Doch zeichnet sich der Mensch gerade dadurch aus, dass er sich Hilfsmittel, Werkzeuge usw. schafft und die Gesetzmäßigkeiten der Natur erkennen will, um in den Auseinandersetzung mit den Naturgewalten besser überleben zu können.
Jeder Fortschritt im Bereich der wissenschaftlichen und medizinischen Forschung ist mit Risiken verbunden. Forschung bedeutet immer auch Betreten von Neuland, für das die Erfahrung noch fehlt und in dem unbekannte, unerwartete Gefahren einem begegnen können. Angst hat den Fortschritt jedoch nicht aufgehalten, sondern sie sollte zu einer immer genaueren Risikoeinschätzung und Risikoforschung führen. Diese Risikoabschätzung kann in Extremfällen zur Entscheidung führen, bestimmte Erkenntnisse, auf Grund zu hoher, unkalkulierbarer Risiken, zeitweise bewusst nicht zu nutzen.

Die Entwicklung der Maschine, des Elektromotors und des Otto-Motors haben das Leben der Menschen revolutioniert und ihn an und für sich von körperlicher Arbeit und Mühsal befreit bei gleichzeitiger zigfacher Steigerung der Produktivität. Der erfolgreiche Einsatz von Antibiotika und Impfseren gegen Infektionskrankheiten hat den Schrecken jener Krankheiten genommen, die zuvor ganze Städte und Völker ausgelöscht hatten. Einige Infektionskrankheiten wie die Pocken konnten als Krankheit sogar vollständig ausgerottet werden. Nur in Forschungslabors und Labors zur Entwicklung von Biowaffen werden sie noch weltweit gehalten.
Karl Marx stellt das grundsätzliche Problem im „Kapital“ so dar: „Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum der Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert ...“2

Nicht die Entwicklung der Dampfmaschine oder des Otto-Motors, nicht das Wissen über Bakterien und Viren und deren Bekämpfung sind das Problem, sondern die kapitalistischen Verhältnisse, unter denen sie bei uns genutzt werden. Die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse bestimmen darüber, was von neuen Erkenntnissen genutzt und wie mit neuen Erfindungen umgegangen wird. In einer Zeit, in der immer mehr weltweit agierende Konzerne und Monopole unser Leben bestimmen, wächst die Gefahr global. Rücksichtslos um der Konkurrenz willen, angetrieben durch das unaufhaltsame Streben nach Profitmaximierung werden neue Forschungsergebnisse entweder unter maximalem Zeitdruck umgesetzt und industriell verwertet oder aber in den Schreibtischen und Safes der Konzernetagen vorübergehend eingeschlossen. Dem langsamen Sammeln von Erfahrung, der kontrollierten Entwicklung einer Risikoforschung wird viel zu wenig Raum und Zeit gegeben, obwohl dies heute in großem Umfang möglich wäre.

Welche unterschiedlichen Stammzellen gibt es?

Was unterscheidet sie von reifen Körperzellen?
Stammzellen sind Zellen, die sich durch Zellteilung fast unbegrenzt vermehren können und aus denen unter bestimmten Umgebungsbedingungen dann reife Körperzellen entstehen können.

1. Adulte Stammzellen:
Dies sind Stammzellen aus den Geweben eines erwachsenen (adulten) Organismus. Sie gibt es möglicherweise in allen Geweben in unterschiedlicher Menge.
- unipotente Stammzellen
Sie können nur ein Gewebe aufbauen, so z.B. die Stammzellen der Haut.
- multipotente Stammzellen
Aus ihnen können nicht nur eine Sorte Zellen, sondern mehrere verschiedene Zellen entstehen. So können aus der Blut bildenden Stammzelle rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen, Fresszellen und Immunzellen werden. Dies nutzt man seit ca. 30 Jahren in der Medizin bei der Knochenmark- und Blutstammzell-Transplantation.
- pluripotente Stammzellen
Durch neuere Forschung seit 1998 mit adulten Stammzellen hat man unter sehr künstlichen Versuchsbedingungen nachweisen können, dass es in Einzelfällen auch gelingt, aus blutbildenden Stammzellen Nervenzellen, Herzmuskelzellen und Leberzellen werden zu lassen. Und es gelang auch umgekehrt aus Hirnstammzellen Blut bilden zu lassen. Durch derartige Labor- und Tierversuche war es möglich zu beweisen, dass adulte Stammzellen unter bestimmten Bedingungen sogar pluripotent sein können. Diese Fähigkeit nennt man Plastizität der adulten Stammzellen.
Der Vorteil der adulten Stammzellen besteht darin, dass sie aus einem erwachsenen Organismus gewonnen werden können. Sie können daher nach einer entsprechenden Manipulation problemlos in diesen Körper wieder zurückgegeben werden ohne jegliche Gefahr der Abstoßung.

2. Totipotente und pluripotente embryonale Stammzellen:
Embryonale Stammzellen sind Zellen, die bei den ersten Zellteilungen entstehen, nachdem Samen- und Eizelle verschmolzen sind. Normalerweise wachsen solche Zellen im Mutterleib zum Embryo und reifen Föten heran bis zur Geburt eines neuen Lebewesens. Durch spezielle Wachstumsbedingungen in Brutflaschen im Labor lassen sich diese embryonalen Stammzellen jedoch an ihrer Weiterentwicklung hindern. So entstehen große Zellkolonien aus lauter gleichartigen embryonalen Stammzellen, die alle die Fähigkeit zu nahezu unbegrenzter Teilung haben. So sind sie aber nicht nur eine unerschöpfliche Quelle von embryonalen Stammzellen, sondern sie sind grundsätzlich in der Lage, sich in alle nur denkbaren Gewebe zu entwickeln. Aus diesen embryonalen Stammzellen aus der Laborzüchtung können jedoch keine vollständigen Lebewesen mehr entstehen.

Klonen
Im Prinzip kann aber auch aus jeder frühen embryonalen Zelle (bis zum Zellteilungsstadium von acht Embryonalzellen) in der Umgebung der Gebärmutter ein vollständiger Organismus entstehen. Aus einem Embryo können so viele genetisch gleichartige Embryonen geschaffen werden. Diese Technik bezeichnet man als klonen. Dass dies prinzipiell möglich ist, ist seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt.
Das grundsätzliche Verständnis der genetischen Entwicklung eines Lebewesens aus Verschmelzung von Samen- und Eizelle wurde 1996/1997 durch die schottische Forschergruppe um Ian Wilmut mit der Geburt des Schafes Dolly revolutioniert. Ihr Klonexperiment bestand darin, dass der Zellkern einer ausgewachsenen Zelle (hier einer Euterzelle) und die darin enthaltende genetische Information durch die Einpflanzung in eine entkernte Eizelle so umprogrammiert werden konnte, dass der Zellkern der erwachsenen Euterzelle plötzlich wie der Zellkern einer Embryonalzelle funktionierte. Aus dieser „neuen Embryonalzelle“ entstand dann ein Schaf, das genetisch mit dem adulten Schaf identisch war, von dem der Zellkern stammte. Die genetische Information des neuen Schafs stammte also nicht von Mutter und Vater, sondern nur von einem „Elter“. Dass dies gelungen ist, war eine Revolution in der Genetik. Zuvor war es undenkbar, dass die Gene einer reifen Körperzelle und deren Funktionen so umprogrammiert werden können, dass hieraus wieder ein Embryo werden könnte.

Therapeutisches Klonen
Die Forschung mit embryonalen Stammzellen, die unter bestimmten Auflagen jetzt auch in Deutschland erlaubt ist, hat neben der fast unerschöpflichen Potenz dieser Zellen einen wesentlichen Nachteil gegenüber der Forschung mit adulten Stammzellen. Werden embryonale Stammzellen einmal als Gewebeersatz in der Medizin benutzt, so besteht die große Gefahr der Abstoßung. Es handelt sich um Fremdgewebe für den Körper, in den dieses neue Gewebe eingepflanzt wird. Um dieses schwer wiegende Problem zu umgehen, hat man sich in der Forschung der Erkenntnisse des Dolly-Klonexperiments bedient. Man züchtet embryonale Stammzellen mit der genetischen Information von Zellen aus dem Körper, für den sie später als Gewebe dienen sollen. Hierdurch kann man möglicherweise die Probleme der Fremdgewebsabstoßung bei embryonalen Stammzellen umgehen. Doch bestehen dann die Risiken, die aus Klonexperimenten von Tieren schon bekannt sind wie die vorzeitige Alterung und die erhöhte Anfälligkeit solcher Zellen gegenüber Krankheiten.
Der „Standort Deutschland“ wird bemüht. Die „Wirtschaftswoche“ titelte im Dezember 2001 mit „Verspielte Zukunft“ und der „Spiegel“ schürt beim Leser in seiner Ausgabe 25/2002 die Angst vor der gelben Gefahr mit „Chinas revolutionäre Zellen – Peking erklärt die Stammzellforschung zur nationalen Prestigefrage“. Gegenüber den Konkurrenten in den USA ist der deutsche Imperialismus in der Stammzellforschung mal wieder verspätet gestartet. Diesen Vorsprung gilt es möglichst rasch auszugleichen. Daher sind die zunehmenden staatlichen Förderprogramme in einer Zeit erklärlich, wo sonst im Gesundheitswesen und im Sozialbereich auf Teufel komm raus gespart wird.

Nicht die Forschung mit adulten oder embryonalen Stammzellen an und für sich stellt das Problem dar für die Zukunft, sondern das bornierte und rücksichtslose Profitinteresse des neuen Biotechnologie- und Gentechnologiemarktes, dessen Aktien an den Börsen dieser Welt gehandelt werden. Mit wahnsinnigen kurzfristigen Heilserwartungen für solche Volkskrankheiten wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson,ðÏ`™UðÏ`™UÕ™U°7#™UXÐ`™UÐ`™U@Ð`™Uealen Grundlage derzeit noch entbehren. Kaum verwunderlich, dass zu Weihnachten 2002 in den USA die Realianer-Sekte die Geburt des ersten geklonten Menschen mit großem Publicrelation-Medienrummel bekannt gab. Der Wettlauf um die selbst noch imaginären Marktanteile dieses Industriesektors hat in vollem Umfang schon längst begonnen. Die großen Chemiegiganten und Pharmakonzerne sind unmittelbar oder mittelbar über kleinere Biotech-Firmen (um sich selbst die Hände nicht schmutzig zu machen) an diesem Wettlauf um die möglichen Marktanteile beteiligt. Die möglichen Umsatzprognosen für den Weltmarkt mit Stammzellen erscheinen grandios. Der Unternehmensberater Helmut Kaiser prophezeit in der Wirtschaftswoche vom 7.2.2002 für 2005 schon einen Umsatz von 12,9 Mrd. US $ und im Jahre 2010 sogar von 57,7 Mrd. US $.
Doch soweit derzeit absehbar ist und dies wird auch von Stammzell-Wissenschaftlern abseits von Pressekonferenzen eingestanden, wird es im Bereich der Stammzellforschung keine schnellen Erfolge geben. Daher wird das geweckte kurzfristige Interesse der Aktienmärkte auch wieder einbrechen und mancher Senkrechtstarter am neuen Markt wird abstürzen.

Das Klonen von Menschen wurde bewusst und in unverantwortlicher Weise an Außenseiter übergeben (Klonexperimente sind z.B. in den USA nicht verboten, sondern nur an staatlichen Einrichtungen untersagt.). Noch ist die Effizienz des Klonens von Lebewesen glücklicherweise so gering, dass es auf absehbare Zeit keine verwertbare Alternative für die Konzerne zur „natürlichen“ Methode der Zeugung menschlichen Lebens darstellt. Das Klonen von Menschen ist nach dem Stand des heutigen Wissens aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen. Die Vielfalt der Menschen würde dabei zwangsläufig eingeschränkt und damit die Grundlage weiterer Entwicklung (siehe weiter unten). Zudem würde in Kauf genommen, dass Menschen bei diesen Experimenten ohne Not und ohne ausreichende Forschung an Tieren willkürlich Schäden an Körper, Geist und Psyche ausgesetzt werden.

Wie weit ist die Stammzellforschung wirklich und was können wir uns hiervon erwarten?

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Grundsätzlich lagert in den adulten wie embryonalen Stammzellen noch ein sehr wertvoller Schatz der Natur, der auf seine Entdeckung wartet. Wie kann aus einer einzigen Zelle ein funktionierender Organismus werden? Der genetische Bauplan, dessen Funktion und die damit verbundenen Steuerungsmechanismen zur Bildung von Geweben, Organen und wie bei den embryonalen Stammzellen sogar für ganze Lebewesen ist ein faszinierender Forschungsbereich unvorstellbaren Ausmaßes. Noch sehr viel an Forschungsarbeit wird notwendig sein, um das Wechselgespräch von genetischer Information im Zellkern und des ihn umgebenden Zellplasmas zu entziffern und zu verstehen. Wir befinden uns heute noch ganz am Anfang, quasi in der Steinzeit der Stammzellforschung. Doch verspricht gerade das Verständnis von zellulären Wachstums- und Differenzierungsvorgängen z. B. auch Fortschritte in der Krebstherapie. Wenn wir das Wachstum und die Spezialisierungsschritte von Stammzellen verstehen, die sich grundsätzlich unbegrenzt teilen können, dann verstehen wir möglicherweise auch die Steuerungsmöglichkeiten von Krebszellen und können diese Erkenntnisse dann therapeutisch nutzen.
Wann dies sein wird, lässt sich jedoch heute noch überhaupt nicht in Jahren beziffern. Selbst ein so begeisterter Verfechter der embryonalen Stammzellforschung wie der Bonner Neuro-pathologe Oliver Brüstle sagte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ am 5./6. Mai 2002, dass die möglichen Anwendungen seiner Nervenzellforschung mit embryonalen Stammzellen frühestens in 5-10 Jahren absehbar sind. Bis zur möglichen Behandlung von Krankheiten beim Menschen dauert es dann in der Regel nochmals etwa die gleiche Zeit. Und diese von Brüstle angepeilte Stammzellforschung ist noch eine vergleichsweise einfache Variante in diesem Bereich.

Auf einem Mitte des Jahres 2002 auf Initiative des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg veranstalteten Internationalen Kongress zur Stammzellforschung stellten die führenden Wissenschaftler aus der ganzen Welt weit gehend übereinstimmend fest:
1. Die Forschung an adulten und embryonalen Stammzellen ist notwendig, da nur so das gesamte Spektrum der Zellentwicklung und Steuerung studiert werden kann.
2. Aus fast allen Geweben (z.B. Herzmuskel, Gehirnnerven, Knochenmark, Knochen- und Bindegewebe, Leber) lassen sich in geringen Mengen unter sehr künstlichen Bedingungen noch näher zu bestimmende adulte Stammzellen gewinnen, die wiederum in der Lage sind, diese Gewebe, aus denen sie stammen, aufzubauen.
3. Darüber hinaus gibt es möglicherweise in noch viel geringerer Menge pluripotente Stammzellen in erwachsenen (adulten) Tieren und Menschen, die je nach Umgebungsbedingungen in der Lage sind, nicht nur eine Zellsorte, sondern verschiedene Zellen wie z. B. Blut-, Bindegewebe, Nerven- oder Leberzellen herzustellen.
Chronologie der embryonalen Stammzellfoschung

1892 Erstes Klonexperiment mit Embryonalzellen des Seeigels durch den deutschen Zoologen A. Driesch. Er trennte im embryonalen Vierzellstadium die einzelnen vier Zellen voneinander und es entwickelten sich vier gleiche Embryonen.
1902 Hans Spemann gelingt das gleiche Klonexperiment mit Wirbeltierembryonen des Wassermolches.
1951/52 Den Amerikanern Robert Briggs und Thomas J. King gelingt erstmals ein Klonexperiment, bei dem sie Kerne von Froschembryonalzellen in entkernte Eizellen von Fröschen einsetzten. Es bildeten sich mehrere genetisch identische Klon-Kaulquappen, ohne dass diese sich jedoch zu Fröschen entwickelten.
1986 Stehen M. Willadsen stellt mit der Technik von Briggs und King erstmals genetisch identische Nachkommen von Schafen her.
1993 Amerikanische und kanadische Wissenschaftlicher experimentierten erstmals erfolgreich mit Embryosplittung (s. 1892 A. Driesch) beim Menschen. Es ließen sich so mehrere menschliche Embryonen züchten, doch waren die Embryonen nicht weiter entwicklungsfähig.
1996/1997 Dem großbritannischen Wissenschaftlerteam um Jan Wilmut gelingt erstmals das Klonen eines Schafs, indem sie den Zellkern einer Euterzelle eines erwachsenen Schafs mit der entkernten Eizelle eines anderen weiblichen Schafs fusionierten. Danach setzten sie den so geschaffenen Embryo in ein drittes Schaf ein, das als Mutter das neue, genetisch mit dem Schaf der Euterzelle identische Lamm austrug. Dolly war geboren.
1997 Erste erfolgreich klonierte Menschenaffen werden geboren (Meng, L. et al.).
2000 Aus embryonalen Stammzellen, die mittels therapeutischen Klonens entstanden sind, werden in Kulturflaschen durch spezielle Wachstumsstoffe Nerven- und Muskelzellen gezüchtet. Die embryonalen Stammzellen wurden durch Kerntransfer aus einer erwachsenen Mäusezelle in eine entkernte Mäuseeizelle herangezüchtet (Megan J. Munsie et al.).
2001 Eine aussterbende Tierart wird erstmals geklont. Der Kern einer Hautzelle des aussterbenden Gaurs (Rinderart) in Südostasien wurde in den Eizelle eines Hausrindes transferiert. Ein Hausrind diente ebenfalls als Leihmutter (Lauza, R.P. et al.).
Die so genannte Plastizität von Stammzellen ist somit belegt worden. Auch wenn einschränkend erwähnt werden muss, dass die gewählten Versuchsbedingungen hochgradig künstlich waren, d. h. sie kaum etwas mit der normalen Situation im Körper eines Lebewesens zu tun haben.
4. Auch wenn das Prinzip der multipotenten und pluripotenten adulten Stammzellen unter den spezifischen Bedingungen eines Experiments belegt werden konnte, so ist noch völlig offen, ob diese Tatsache ausreichend ist, um in jedem Fall auch entsprechende Gewebe züchten zu können. Der Ersatz des Herzmuskels, von Nervenbahnen oder Lebergewebe auf diese Weise ist noch weit gehend Spekulation und nur im Prinzip nicht ausgeschlossen, jedoch noch weit entfernt von jedem klinischen Nutzen zur Behandlung von Krankheiten.
Der nahezu einzige Bereich, in dem dies seit ca. 30 Jahren erfolgreich funktioniert, ist die Gewinnung und Transplantation von Knochenmarkstammzellen, mit deren Hilfe heute Ärzte in der Lage sind, Leukämien und andere bösartige Erkrankungen des Knochenmark- und des Immunsystems zu heilen. Doch ist der Anteil dieser Stammzellen im Knochenmark im Vergleich zu den Stammzellen in anderen Organen außerordentlich hoch. Es handelt sich hier also um eine Spezialsituation.
5. Ein Organersatz mittels adulter Stammzellen erscheint aus jetziger Sicht der Forschung unmöglich.
6. Embryonale und fötale Stammzellen sind in der Lage, unter den verschiedenen experimentellen Bedingungen unterschiedlichste Gewebe aufzubauen. Ein Organersatz ist derzeit praktisch nicht möglich, jedoch prinzipiell nicht auszuschließen. Neben den ethischen Problemen gibt es beim Einsatz von embryonalen Stammzellen jedoch die nicht geringe Gefahr der Entwicklung von bösartigen Tumoren. Darüber hinaus kann das körperfremde Gewebe jederzeit wieder abgestoßen werden. Die neuen gezüchteten Zellen können aber auch nach anfänglicher Funktion in der speziellen Umgebung des für sie fremden Körpers die gewünschte Funktion wieder verlieren oder verändern. Dies wiederum kann neue Probleme und Gefahren hervorrufen Die Forscher versuchen diese Problematik durch die Züchtung von alternativen embryonalen Stammzellen beim „therapeutischen“ Klonen (s. Kasten) zu umgehen. Eine Züchtung von geklonten embryonalen Stammzellen nach dem Dolly-Modell wird derzeit irreführenderweise „therapeutisches“ Klonen genannt, weil vielleicht in Zukunft aus dieser Forschung ein therapeutischer Ansatz erwachsen könnte. Dies ist jedoch zurzeit noch genauso wenig absehbar und ist nur eine Hoffnung, wie dies bei der gesamten embryonalen Stammzellforschung der Fall ist. Die Bezeichnung „therapeutisch“ wird dabei geschickt genutzt, um Forschungsgelder in Zeiten des sozialen Kahlschlags gesellschaftlich zur rechtfertigen und um ethische Bedenken zu vermindern (siehe Erläuterung zu den Stammzellen).

Welche Begrenzungen und welche Freiheiten fordern wir?

Nicht aus Angst vor den Erkenntnissen in der Stammzellforschung, sondern aus dem Wissen heraus, dass die Kurzsichtigkeit und Rücksichtslosigkeit der Monopole unvermeidbare Risikokonstellationen für den Fortschritt im Interesse der Menschheit darstellen, aus diesem Wissen heraus müssen wir um Begrenzungen und entsprechende Gesetze kämpfen.
Uneingeschränkte Freiheit für die Erkenntnis gegenüber den bornierten Verwertungsinteressen der Monopole müssen wir fordern. Der Kampf um die öffentliche Diskussion über die Forschung und um die staatliche Kontrolle der Anwendungs-möglichkeiten ist ein Kampf basierend auf demokratischen Forderungen. Den Möglichkeiten eines solchen Kampfes sind enge Grenzen gesetzt, solange der Imperialismus herrscht. Daher müssen wir diese notwendige Auseinandersetzung um Demokratie mit dem Kampf gegen die herrschenden Eigentumsverhältnisse verbinden. Denn Demokratie in Forschung und Anwendung, kurz die uneingeschränkte Freiheit der Erkenntnis, wird es nur geben, wenn die Eigentumsrechte der Monopole beseitigt sind. Die Konzernleitungen werden sich kaum sagen lassen, was sie machen oder nicht machen sollen, wenn dies nicht ihren Konzerninteressen entspricht. Verbote in einem Land werden sie umgehen durch ihren weltweiten Aktionsradius.
Doch nur durch gemeinsame Aktionen von Menschen unterschiedlicher Weltanschauung und gerade auch zusammen mit den Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen und anderen demokratischen Organisationen werden wir dafür sorgen können, dass die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung erkennt: Monopol und Demokratie sind unvereinbar. Aus der andauernden Defensive werden wir nur herauskommen, wenn das Ziel solcher Kämpfe die Revolutionierung der derzeitigen Eigentumsverhältnisse ist. Gerade dies können die beteiligten Menschen aber in solchen Auseinandersetzungen lernen.

Für den Schutz der Frauen

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Bei der embryonalen Stammzellforschung mit menschlichen Zellen geht es in erster Linie auch um den Schutz der Gesundheit und um das Interesse der Frauen, von denen die heute für die Forschung und später für eine Therapie notwendigen Eizellen stammen. Hier gilt es wachsam und aktiv zu sein, um die entsprechenden Schutzrechte einzufordern. Die Gefahren liegen auf der Hand. Die Gewinnung von Eizellen ist für die betreffenden Frauen keine gefahrlose Angelegenheit. Um eine ausreichende Menge zu erhalten, ist eine vorherige Hormonstimulation notwendig. Das Risiko von meist leichten, in wenigen Fällen (0,5-2%) jedoch auch lebensbedrohlichen Nebenwirkungen des Hyperstimulationssyndroms (Wassereinlagerung in Organen, Thrombosen, Störungen der Nieren-, Lungen- oder Leberfunktion) ist nicht zu vermeiden. In Einzelfällen haben diese Komplikationen sogar bei zuvor gesunden jungen Frauen zum Tode geführt. Auch die Entnahme der Eizellen durch eine Bauchspiegelung ist ein nicht völlig schmerzfreier und gefahrloser Eingriff.

Es besteht zusätzlich in Zukunft die Gefahr, dass durch zunehmende Forschungsprojekte mit embryonalen Stammzellen auch der Bedarf an Eizellen wächst. Die Erfahrungen aus der Organtransplantation und insbesondere der weltweite Handel mit menschlichen Nieren zeigt auf, dass es gerade die Frauen aus armen Schichten und aus den Ländern der so genannten dritten Welt sein werden, die diesen Risiken in erster Linie ausgesetzt sind. Dagegen schützt auch der Nachweis einer unterschriebenen Einverständniserklärung wenig, wie ihn die deutschen Bestimmungen zum Import von embryonalen Stammzellen fordern.

Nürnberger Kodex zur Forschung am Menschen – Lehren aus dem Faschismus

In diesem demokratisch legitimierten Kampf geht es um den Schutz menschlichen Lebens. Wir sollten uns gerade auch bei den Forderungen zur Stammzellforschung an den Nürnberger Kodex vom 20. August 1947 erinnern, in dem nach den grausamen Erfahrungen mit Menschenversuchen aus der Nazizeit folgende wesentliche Grundsätze3 aufgestellt wurden. Sie besitzen auch heute noch weltweit Geltung wenigstens dem Wortlaut nach:
„... 2. Der Versuch muss derart sein, dass fruchtbare Erkenntnisse für das Wohl der Gesellschaft zu erwarten sind, welche nicht durch andere Forschungsmittel oder Methoden zu erlangen sind und welche ihrem Wesen nach nicht willkürlich und unnötig sind.
3. Der Versuch ist so zu planen und auf Ergebnissen von Tierversuchen und einer Kenntnis des Wesens der Krankheit oder des sonstigen Problems aufzubauen, dass die vermutlichen Ergebnisse die Ausführung des Versuchs rechtfertigen werden.
4. Der Versuch ist so zu planen, dass alle unnötigen körperlichen und geistigen Leiden und Verletzungen vermieden werden.
5. Kein Versuch darf durchgeführt werden, wenn a priori ein Grund besteht für die Annahme, dass der Tod oder ein dauernder, körperlicher Schaden eintreten wird, mit der Ausnahme vielleicht jener Versuche, bei welchen Versuchsleiter gleichzeitig als Versuchsperson dienen....
“

Gegen Eugenik, Rassismus und genetischen Determinismus – wehret den Anfängen in der Forschung

Keine einzige dieser grundsätzlichen Forderungen aus dem „Nürnberger Kodex“ werden von den so genannten Forschern und Versuchsleitern der Realianer Sekte eingehalten. Die gesundheitlichen und psychischen Risiken für solche Klonkinder sind nicht absehbar. Alles was wir aus Tierexperimenten wissen, lässt Schlimmes ahnen: vorschnelles Altern, erhöhte Anfälligkeit gegen eine Vielzahl von Krankheiten, ganz abgesehen von den psychischen und ethischen Problemen, mit denen solche Kinder konfrontiert sein werden. Hier wird skrupellos experimentiert und alle offiziellen Stellen in den USA schauen zu und entrüsten sich höchstens verbal. Man darf gespannt sein, wie sich amerikanische Gerichte verhalten werden, und ob sie sich der oben genannten von dem amerikanischen Chefankläger in Nürnberg mit entwickelten Forderungen noch erinnern.

Wo durch molekulargenetische Methoden und embryonale Stammzellforschung gezielte Eingriffe in die „natürliche“ Reproduktion des Menschen möglich werden, sehen moderne Eugeniker und Rassisten neue Aktionsmöglichkeiten. Da wird mit Zukunftsszenarien gespielt und argumentiert, dass durch genetische Manipulationen des embryonalen Genoms nur noch gesunde und schöne und vor allem leistungsfähige Menschen erzeugt werden könnten. Diese Theorien entbehren zwar jeder wissenschaftlichen Grundlage, denn durch jede Veränderung des Genoms steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue, bisher unbekannte Probleme und Veränderungen im menschlichen Organismus ergeben, die dann auch zu neuen Krankheiten und Risiken führen können. Doch diese neuen eugenischen Ansätze zielen wie in der Vergangenheit darauf ab, die Über- und Unterlegenheit von Menschen allein auf Grund ihrer unterschiedlichen genetischen Ausstattung rassistisch begründen zu wollen. Der verbrecherische Wahnsinn der Nazis droht im modernen molekulargenetischen Gewand neue Urstände zu feiern.

[file-periodicals#7.pdf]Wie offen eugenische Wunschträume schon wieder geäußert werden, zeigt ein Passus aus dem ersten Forschungsantrag der Europäischen Gemeinschaft für ein Genomprojekt aus dem Jahre 1988, auch wenn dieser später wieder zurückgezogen werden musste: „Krankheit entsteht dadurch, dass genetisch anfällige Personen oder Populationen gegenüber Umweltfaktoren exponiert sind. Prävention wird davon abhängen, die Expositionen zu reduzieren oder -wahrscheinlicher- die anfälligen Individuen zu reduzieren .... Zusammengefasst: Die prädiktive Medizin will Individuen vor den Krankheiten schützen, für die sie besonders anfällig sind, und -wo es angebracht ist- die Weitergabe von genetischen Anfälligkeiten an die nächste Generation verhindern.“4

Spätestens nachdem die beiden Wissenschaftler James D. Watson und Francis Crick 1962 für ihre Entdeckung der molekularen Struktur der Chromosomen den Nobelpreis für Medizin erhielten, war es für viele ganz offensichtlich erwiesen, dass die Gene die alles entscheidende Grundlage des menschlichen Lebens darstellen. Komplexe Zusammenhänge und sich gegenseitig beeinflussende Regelkreise wurden auf Zellebene wie für den ganzen Organismus allein hierarchisch den Genen untergeordnet. Die gestarteten Projekte zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms wurden mit naiven und gefährlichen Interpretationen versehen. Bill Clinton verstieg sich zu solchen Äußerungen wie, das Humane Genom Projekt (HGP) führe zum Verstehen der Sprache Gottes. James Watson war bis 1992 selbst Leiter des HGP in den USA. Er vertrat die führende Meinung, dass es künftig möglicherweise unmoralisch sei, wenn Eltern „die Geburt von Kindern mit gravierenden genetischen Defekten“ zulassen würden. Er sprach sich unter anderem dafür aus, dass beim Nachweis einer Anlage für Homosexualität, die Eltern eine Abtreibung durchführen sollten. Wie alle Eugeniker begründet auch Watson seine Forderung mit dem Motiv, „unnötiges Leid“ vermeiden zu wollen. Er fährt fort: Erbkranke Embryonen hätten nicht „die gleichen existenziellen Rechte (haben) wie jene, denen ein gesundes und produktives Leben gegeben ist“.5
Eugenik und neuer Rassismus ist hier gepaart mit einem neuen gesellschaftlichen Angriff gegenüber Behinderten. Ihre Existenz soll in Frage gestellt, sie sollen in Zukunft ausgegrenzt oder besser von vornherein ausgemerzt werden. Eine derartige rassistische Eugenik muss scharf abgetrennt werden von der Einzelentscheidung einer Frau, die unter den heutigen Lebensbedingungen sich gegen die Entwicklung eines Embryos zu ihrem Kind entscheidet. Grundsätzlich ist dieses Land reich genug und das Wissen so weit entwickelt, dass für alle behinderten Menschen und deren Angehörigen alle Voraussetzungen gegeben wären für ein sorgenfreies gemeinsames Leben. Doch die Realität sieht anders aus, wenn schon voll leistungsfähige und gesunde Menschen keine Arbeit finden und die wenigen Sozialleistungen in diesem Bereich auch noch eingespart werden sollen.

Gegen die genetische Einfalt

Genetische Einfalt führte in der Geschichte der Menschheit wie der Natur in die Sackgasse (z.B. Inzucht). Schon früh haben dies die Menschen erkannt und daher das Inzestverbot errichtet. Die Entwicklung des Menschen wie der Natur fand auf der Grundlage der Unterschiede, der Vielfalt statt. Beim Klonen von Menschen wird diese Vielfalt raikal reduziert. Das Klonen von Lebewesen ist daher schon aus grundsätzlichen Erwägungen ein Rückschritt. Genetische Eingriffe bei wenigen Krankheiten, die nur auf ein Gen zurückzuführen sind, können in Zukunft möglich und auch sinnvoll sein (z. B. Bluter). Diese Möglichkeiten müssen daher noch intensiver beforscht werden. Diese gentechnisch möglichen Manipulationen haben aber mit den Phantasien der Eugeniker auch garnichts zu tun. Solche sinnvollen, sehr begrenzten genetischen Eingriffe dienen ihnen höchstens als Rechtfertigung und Begründung für die inhumanen Theorien. Die aktuelle Diskussion um die PID (Präimplantations-Diagnostik an embryonalen Zellen) dreht sich um die gleiche Problematik. Zur Reduktion des Risikos, ein behindertes Kind zu gebären, soll die PID in engen Grenzen erlaubt werden. Damit wird aber das Tor zu einem Weg aufgestoßen, der zur rein genetisch definierten Selektion von menschlichem Leben führen kann. Dies müssen wir von Anfang an erkennen.

Bei der politischen Debatte um die Stammzellforschung, um Selektion und manipuliertes menschliches Leben geht es neben Eugenik und Rassismus vor allem auch um genetischen Reduktionismus (d. h. moderne genetisch orientierte Rassehygieniker versuchen das menschliche Leben auf die Gene zu reduzieren). Überlegenheit und Unterlegenheit, Gesundheit und Krankheit, lebenswert und nicht lebenswert werden genetisch definiert. Die herrschenden gesellschaftliche Bedingungen sollen keine Berücksichtigung finden, da sie als gegeben und unveränderbar hingestellt werden. Doch der Mensch ist ein soziales Wesen, wie die Geschichte der Menschheit lehrt, dessen Schicksal nicht allein durch Gene bestimmt ist. Die Gene verändern sich im Laufe der Evolution und deren Funktionen verändern sich insbesondere durch die umgebenden Bedingungen. Ohne diese Anpassungsfähigkeit wäre das menschliche Immunsystem nicht in der Lage gewesen, auf die verschiedenen Herausforderungen im Laufe der Menschheitsgeschichte zu reagieren.

Das Schicksal des Menschen ist nicht knechtisch an Gene gekettet, sondern die menschlichen Genfunktionen erlauben es dem Menschen sein Schicksal selbst in die Hände zu nehmen. Als soziales Wesen ist er in der Lage sich in freier Assoziation zusammenzuschließen, um die Ketten alter, überkommener Herrschaftsstrukturen immer wieder zu sprengen und abzuschütteln. Dies beweist die Geschichte der französischen Revolution und der Oktoberrevolution. Karl Marx weist im Kommunistischen Manifest im Kapitel II „Proletarier und Kommunisten“ den Weg in eine neue nachbürgerliche Gesellschaft:
„An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“
Diese emanzipatorische Kraft der Menschheit gilt es wach zu halten und gegen alle Bestrebungen eines modernen Rassismus und genetischen Determinismus zu verteidigen.

doc/Arbeitsgruppe Gentechnik


Anmerkungen:
1
Lenin, Werke Bd. 23, S.57
2 MEW 23, Kapital Bd. 1, 13. Kapitel,S. 465
3 zitiert nach „Medizin und Gewissen“ 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess, Mabuse Verlag, Frankfurt a. M., 1998, S. 455
4 zitiert nach L. Koch, The genefication of medecine and the concept of disease. 1993, Diskussionspapier I-93 des Hamburger Instituts für Sozialforschung
5 zitiert nach I. Rohs und S. Voigt, Freiheit der Forschung versus Menschenwürde, Forum Wissenschaft, Nr. 4, Okt. 2001, 18. Jhg.


dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung aus der KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung - Nummer 304 / Mai 2003 übernommen.


 
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