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Teil II
Die Isar wird geheizt


Gegner der Atomkraft zu sein, ist ebenso unvernünftig wie Gegner der Schwerkraft zu sein.
Die Atomkraft, von der heute landläufig gesprochen wird, ist genau genommen die Kernkraft, die im Inneren des Atomkerns wirkt. Wie die Schwerkraft ist sie eine der Urkräfte, die unser Universum bestimmen. Der Vollständigkeit halber: Dazu kommen die elektrodynamische Kraft und der Magnetismus.
Zuerst zu einigen Bildern, wie sie in den Köpfen der Menschen existieren – und von den Herrschenden erzeugt werden:
Ein KKW ist kein blauer Swimmingpool. Um Meldungen im Fernsehen zu illustrieren, wird immer wieder das so genannte Abklingbecken gezeigt. Dort werden die Brennelemente gelagert, die nicht mehr genug Wärme liefern. Mit anderen Worten: Sie sind für den am meisten verbreiteten Typ des Leichtwasserreaktors (z.B. Ohu an der Isar!) nicht mehr brauchbar. Das blaue Licht ist das Tschernenkow-Leuchten, das entsteht, wenn die Strahlung der Brennelemente im Wasser abgebremst wird.
Brennelemente? Im KKW brennt nichts wie beim Verbrennen von Holz oder Kohle, wo der Oxydationsvorgangs genutzt wird – unter Freisetzung von CO2, was einzudämmen ist.
Das ist der menschheitsgeschichtliche Fortschritt, dass wir uns nicht mehr an der Atomschale befinden, um Wärme zu gewinnen, wie es allen Feuerstellen eigen war, von der Urzeit über den Kohleherd bis zur Dampflok.
Der Mensch ist ins Atom eingedrungen, seit ungefähr 100 Jahren übrigens, als Ernest Rutherford das erste brauchbare Atommodell vorstellte.
Ebenso lange ist es her, dass Albert Einstein 1905 die theoretische Grundlage dafür schuf, die ungeheure Energie im Atomkern begreifen zu können. Es ist die bekannte Formel E= mc2, der Ausdruck für die Äquivalenz von Masse und Energie. Oder wie Einstein selbst sagte: Masse ist Energie auf Sperrkonto.7
Ein Kilogramm Materie birgt mit E=mc2 soviel Energie in sich, wie bei der Verbrennung von 3 Millionen Tonnen Braunkohle frei wird. Die würden einen Güterzug mit einer Länge von über 700 Kilometern füllen.
Die Kernspaltung in den Brennelementen setzt Wärme frei in Form von kinetischer Energie, die aus der Bindungsenergie der Bestandteile des Atomkerns kommt. Dieser Vorgang findet im KKW in einer vergleichsweise kleinen Stahlkammer statt.
Noch ein Bild: Ein KKW ist nicht ein 150 Meter hoher Turm mit einer Dampfwolke, wie wir sie z.B. bei Ohu kilometerweit sehen können. Solche Kühltürme besitzen auch Kohlekraftwerke.
Das heiße Wasser, das die Turbine verlässt, nachdem es dort als Dampf seine Arbeit verrichtet hat, wird im Turm herunter geregnet und die Wolke entsteht. Ein Teil des Wassers wird übrigens in die Isar geleitet und heizt sie um einige Grade auf.
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© by Gruppe KAZ Großbildansicht druckwasserreaktor.png (65.8 KB)
Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor der 2. Generation
Abklingbecken, Kühlturm, warme Isar – alle sind Symptome dafür, wie der Kapitalismus verschwenderisch und schlampig mit der Kernkraft umgeht. Wir haben in den KKW heute einen Wärmeverlust von 60%, ein Wirkungsgrad nicht viel besser als bei Kohlekraftwerken. Die Abwärme wäre nutzbar für Heizzwecke, in Gewächshäusern oder für chemische Prozesse.
Schlamperei und Verantwortungslosigkeit sind die Stichworte, um zur Katastrophe von Fukushima zu kommen.
Kurz der Vorgang. Nach den Erdstößen wird das KKW ordnungsgemäß automatisch heruntergefahren. Die Brennstäbe müssen weiter gekühlt werden. Die Notstromaggregate und damit die Pumpen fallen aus. Um Strom heranzuführen für die Pumpen, fehlen Kabel!
Das sind alles Technologien, die der Mensch seit 100 und mehr Jahren beherrscht – Dieselgeneratoren, Pumpen, Stromversorgung. Bekannt war schon 2010, dass diese Sicherheitsvorrichtungen nicht gewartet wurden. Die Regeln der Re­dundanz – Vervielfachung von Sicherheitseinrichtungen – wurden nicht beachtet.
Eine Naturgewalt, die der Mensch noch nicht beherrscht, aber vor der er sich schützen kann, ist das Erdbeben.
Das Erdbebenrisiko und die Tsunamigefahr waren bekannt. Das war schon beim Bau angemahnt worden. Naturgesetze wurden also missachtet.
Japan ist bekannt für den Bau von erdbebensicheren Hochhäusern. Diese Technik wurde in Fukushima nicht angewandt. Es wurden keine Mauern angesichts der Tsunamigefahr errichtet, wie bei einem ähnlichen KKW in Japan. Der Standort wurde gewählt, um einfach und billig Kühlwasser aus dem Meer zu holen.

Das Tauchsiedermonopol

Harrisburg (USA/Pennsylvania) ließ 1979 die Welt aufschrecken. Dort kam es zum ersten Mal zu einer Kernschmelze.8
Die Überwachungsanlagen waren schon bei der Inbetriebnahme veraltet. So wurde dort auf eine computergestützte Überwachung verzichtet, obwohl der technische Standard dies erfordert hätte. Die USA waren damals führend in der Computertechnologie!
Es wird behauptet, schon der Unfall von Harrisburg habe gezeigt, dass KKW grundsätzlich nicht sicher seien. Wahr daran ist, dass die dort zugrunde liegende Reaktorkonstruktion tatsächlich Risiken und Gefahren birgt.
Der so genannte Leichtwasserreaktor (LWR) wird seit Jahrzehnten immer wieder neu aufgelegt. Dieser ist nichts anderes als ein größerer Tauchsieder. Den Weltmarkt für diese atomaren Tauchsieder beherrschten Monopolisten wie Siemens und General Electric. Heute baut der weltweit führende französische Atommonopolist Areva KKW weiter nach dem selben Wirkprinzip.
Das heißt nun nicht, dass ein KKW so konstru­iert sein muss – und dass man nichts verbessern könnte.
Die Verflechtung des Finanzkapitals am Beispiel des Aufsichtsrates der Siemens AG – des Atommonopolisten i.R. und Monopols mit derzeit grünem Anstrich:

Aufsichtsratsvorsitzender ist Cromme, gleichzeitig ARV von ThyssenKrupp. Das Bankkapital sitzt personifizert durch Diekmann, Allianz, und Ackermann, Deutsche Bank, am Tisch. Samuelsson, geschasster Vorstandsvorsitzender von MAN Nutzfahrzeuge, vertritt Volvo und den schwedischen Schiffbau. (Der Schiffbau ist wichtig für die Offshore-Windkraft!) Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Trumpf GmbH vertritt den Werkzeugmaschinenbau mit einer führenden Rolle in der Lasertechnologie. Sie ist auch Aufsichtsrätin bei Springer und Lufthansa. Mit der Saint-Gobain S.A. ist ein französischer Hitech-Baukonzern vertreten.
Zu guter Letzt muss noch der Vertreter der Max-Planck-Gesellschaft erwähnt werden, also die Wissenschaft. Einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden ist Huber von der IG Metall. Der andere ist Ackermann.
Über weitere Aufsichtsräte, in denen die Siemens-AR sitzen, sind VW, Evonik, Munich Re, Shell, BASF und Linde vernetzt.
Die Siemens AG ist u.a. Mitglied des Desertec-Konsortiums, des Deutschen Atomforums und der Kerntechnischen Gesellschaft.
(Siehe Geschäftsbericht 2010 der Siemens AG im Internet.)
Es war bereits Ende der 1950er Jahre eine theoretische und experimentelle Erkenntnis, dass der LWR keine solide Grundlage für eine industrielle Nutzung der Kernkraft bot.
Dafür war die Bauweise auch nie gedacht. Entwickelt wurde sie in den ersten Nachkriegsjahren in den USA als U-Bootantrieb in Einheiten von 10 MW elektrischer Leistung. Heutige KKW liefern bis zu 1.300 MW, also mehr als das Hundertfache.
Die U-Boote waren Träger von Atomraketen, damit war möglichste Kompaktheit diktiert. Mit der Folge fehlender Kapazität für überschüssige Wärme.
Das Prinzip des LWR besteht darin, dass Brennstäbe mit spaltbarem Material (Uran 235) in Wasser tauchen. Das führt die Wärme ab zur Dampferzeugung und moderiert gleichzeitig, d.h. es dient als Neutronenbremse. Denn erst gebremste Neutronen können die Kettenreaktion in Gang setzen.
Wenige Minuten Kühlausfall führen zur mechanischen und chemischen Zerstörung, der Kern gerät außer Kontrolle. Wasserstoff wird frei, Knallgas entsteht, Brennstäbe brechen, Spaltprodukte werden frei – Fukushima.
Der Einsatz von Wasser als Moderator und Wärmeträger bis heute, seit 60 Jahren also, gleicht der Lunte am Pulverfass.
Es ist längst praktisch bewiesen, dass großvolumige Cores (Brennraum, eigentlicher Reaktor) unter dem Einsatz von graphitischen und keramischen Werkstoffen sehr gutmütig auf einen totalen Ausfall der Kühlung reagieren. Und einen höheren Wirkungsgrad haben.
Diese Erkenntnisse führten zum Hochtemperaturreaktor (HTR). Praktisch erprobt wurden als Kühlmittel bzw. Wärmeträger chemisch träge und inaktive Stoffe, z.B. Helium, ein Edelgas. Was paradox klingen mag: Trotz höherer Temperatur von 2500 Grad Celsius ist keine Kernschmelze möglich, aber ein besserer Wirkungsgrad. Der LWR mit seinen 300 Grad Celsius entspricht immer noch der Dampfmaschine.
Der bessere Wirkungsgrad des HTR folgt aus den Erkenntnissen von Nicolas Carnot. Der französische Physiker hat 1824 (!) die Dampfmaschine (in weiterem Sinn Wärmekraftmaschinen) theoretisch untersucht, um sie zu optimieren. Der Carnot- oder Thermische Wirkungsgrad besagt, dass ein Wärmeprozess umso effektiver ist, je größer der Unterschied zwischen der niedersten und der höchsten Temperatur im Prozess ist.9
Als die massenhafte Verbreitung der KKW begann, im Westen Mitte der 1960er Jahre, war der LWR vom Standpunkt der Wissenschaft eigentlich überwunden. Alle weiteren Entwicklungen wurden jedoch behindert. Vielversprechende Möglichkeiten wurden nicht weiter untersucht.
Weltweit wurde eine veraltete Technologie multipliziert, was ungeheuere Profite für die Atommonopolisten bedeutete!
Schlaglicht Deutschland. Der HTR in Hamm wurde nach 5 Jahren Betriebszeit 1989 wieder stillgelegt, auch unter dem Eindruck von Tschernobyl. Betreiber dieser Technologie waren BBC und Krupp, die mithilfe des Staates von Siemens nieder konkurriert wurde. (Interessant ist dabei, dass Krupp die Prozesswärme zur Stahlerzeugung nutzen wollte.)
Das Beispiel soll zeigen, wie die Schlacht der Monopole um den Weltmarkt eine konsequente Weiterentwicklung der Kernkraftanwendung verhinderte. Was sich durchsetzte, war das Schlechteste.
Einige Worte zu Tschernobyl. Dort war ein Reaktor gebaut worden, der dem westlichen Reaktortyp insofern voraus war, weil er Graphit-moderiert war, ähnlich dem HTR. 1986 sollte während einer routinemäßigen Abschaltung ein Versuch gefahren werden.
Auch sozialistische Menschen begehen Fehler. Damit sich der Reaktor nicht wehrt, wurden alle Sicherheitssysteme abgeschaltet, um den Reaktor von Hand zu fahren. Der Rest ist bekannt.
Auch im Sozialismus kann es von Menschen verursachte Katastrophen geben. Weil es auch im Sozialismus Irrtümer geben kann. Aber sie sind insofern vermeidbar, weil sie nicht zwangsläufiger Bestandteil der Gesellschaft sind. Anders im Kapitalismus, der von der Jagd nach dem Höchstprofit bestimmt ist. Wo die Profitgier einiger weniger das Elend so vieler bedeuten muss. Aber es ist auch so, dass der Rote Stern schon verblasst war – die Sowjetunion war auf der Jagd, den Kapitalismus einzuholen.

Ist die Endlagerung ungelöst?

Die Frage der Endlagerung ist bei der bisher bekannten Nutzung der Kernkraft ein Teil des Problems.
Es ist kein technisches, sondern ein politisches Problem!
Die Wiederaufarbeitung bietet die Möglichkeit einer Art Recycling der Kernbrennstoffe. Dabei entsteht Plutonium, welches wieder als Brennstoff genutzt werden kann. Und für die Bombe, was ein Hauptmotiv der AntiWAA-Bewegung war.
Diese Bewegung hatte Mitte der 1980er Jahre dazu beigetragen, dass der deutsche Imperialismus die Wiederaufarbeitung nach Frankreich verlagerte, zum damaligen großen Atompartner. Dazu kam, dass Strauss weg war und dessen Griff nach der Bombe an Bedeutung im imperialen Streben verlor. WAA-Baustopp war 1989.
Auf einen kurzen Nenner gebracht, war es ein Deal zwischen allen Beteiligten, der lautete: AKW ja, WAA nein.
Nun ist es auch möglich und experimentell bewiesen, dass durch Transmutation eine Umwandlung von spaltbarem Material (Nukleide) in nicht Strahlendes möglich ist. Die Abfälle werden gezielter Neutronenbestrahlung ausgesetzt, was die Halbwertszeit auf eine Größenordnung von hunderten Jahren herabsetzen kann. Diese Technik befindet sich im Forschungsstadium, u.a. im Kernforschungsinstitut Karlsruhe (KIT).
Es wäre übrigens auch ein Reaktor denkbar, der die Abfälle aus dem LWR verwertet. Also ein geschlossener Brennstoffkreislauf. So würden auch die Castoren überflüssig. Aber solange die Monopole die Hand auf der Kernkraft haben, ist es eben billiger, die Abfälle in Salzstöcken zu versenken oder in Gorleben vor sich hinbrutzeln zu lassen.

Gibt es sichere Kernkraftwerke?

Vorweg: Der Kapitalismus ist das größte denkbare Risiko, insbesondere in seiner Gestalt des deutschen Imperialismus. Es hat in der ganzen Menschheitsgeschichte keine solchen Katastrophen gegeben wie die vom Kapitalismus hervorgerufenen zwei Weltkriege mit ihren Verbrechen gegen die Menschheit.
Das Monopolkapital macht aus jeglicher Technologie eine Katastrophe: Es macht aus Nitroglyzerin Herzmittel oder Granaten, es setzt Blausäure zur Schädlingsbekämpfung ein oder in Auschwitz.
Der Kernenergie wird angelastet, dass sie nicht beherrschbar sei. Das dominierende Verkehrssystem ist Beispiel für eine riesige Maschine – nimmt man die abermillionen Autos als Ganzes – die in der Tat nicht beherrschbar ist. 1,2 Millionen Opfer fordert der Autoverkehr weltweit im Jahr, etwa 4.000 alleine in Deutschland. Wenn Millionen Individuen gleichzeitig von A nach B wollen, kann das nicht gut gehen, trotz TÜV und Ampel.10
Sicherheit ist eine gesellschaftliche Kategorie, sie ist Ergebnis einer gesellschaftlichen Debatte – beeinflusst von Medienmacht! Sicherheit ist also keine absolute Größe. Das Grenzrisiko legt die Gesellschaft fest. Soviel zur Beantwortung der Gretchenfrage.

Kernfusion - die Sonne auf die Erde holen!
Eine vielversprechende Möglichkeit, die Kernkräfte zu nutzen, ist die Kernfusion. Ob sie die Energieform der Zukunft ist, ist ebenso wenig die Frage wie: Soll der Mensch den Mond besiedeln?
Wir sind viel weiter, Kernfusion ist die Gegenwart.
Seit 1968 ist sie Tagesaufgabe der Wissenschaft. So wie es seit der Entdeckung 1938 die Kernspaltung war!
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ITER – auf dem Schnittbild in der Mitte die torusförmige Kammer
1968 gelang der erste Einschluss von Plasma in einer Versuchsanordnung in der Sowjetunion, nachdem schon etwa 10 Jahre geforscht worden war.
Was ist ein Plasma? 99% der sichtbaren Materie besteht daraus – die Sonne, die Sterne, das Universum.
Plasma ist der 4. Aggregatzustand. Einfach gesagt: ionisiertes, also leitfähiges Gas im Vakuum bei hohen Temperaturen.
Wir kennen Plasma als Funken im Lichtschalter, als Blitz und in der Leuchtstoffröhre als Leuchtmittel.
Schon lange weiß die Wissenschaft, dass das Leuchten der Sterne, die Wärmestrahlung der Sonne Wirkungen der Kernfusion sind. Es ist der effektivste Naturprozess, den wir kennen.
Die Sonne auf die Erde holen mittels der Kernfusion – den Beweis, dass das möglich ist, hat die Sowjetunion gebracht. Sie hat übrigens die Kernspaltung immer als Übergangstechnologie betrachtet, um zur Kernfusion zu kommen.
Kernfusion also ist die Verschmelzung von Atombestandteilen im Unterschied zur Kernspaltung (Fission). Die Bewegungsenergie der freiwerdenden Neutronen wird wieder in Wärme gewandelt. Dieser Prozess ist etwa zwei Zehnerpotenzen effektiver als die Kernspaltung.
Der Einschluss des Plasmas von einigen 100.000 Grad Celsius wurde erstmals in einem Tokamak-Reaktor durchgeführt. Der russische Name beschreibt den Aufbau: Torusförmige Kammer mit Magnetischen Spulen (Katuschka).
US-amerikanischen Forschungen zur Kernfusion gelang erst in den 1980er Jahren der Anschluss an die Sowjetunion. Neue Erkenntnisse brachte die Anwendung von Big Science, d.h. nicht mehr Labortechnik, sondern Großversuch und fortgeschrittene Computertechnik.
Doch fehlende Geldmittel behindern dauernd diesen Forschungsbereich. Die Kernfusion ist ein Projekt, das Mittel benötigt, die ein einzelner Monopolist, ein Staat nicht mehr aufbringen kann.
Was die Entwicklung und Forschung bremst, ist das mangelnde Interesse der Monopole. Schneller Profit ist nicht zu erwarten. Und bei einem Erfolg der Kernfusion sind alle Investitionen in andere Energieformen wie LWR usw. plötzlich entwertet.
Die Wissenschaft kennt heute das Volumen des Plasmas, das mindestens nötig ist, um als Kraftwerk zu funktionieren. Noch geht es darum, das Plasma langfristig selbsterhaltend zu machen. Das ist die Voraussetzung für großindustrielle Nutzung.
Eine der derzeitigen Versuchsanordnungen ist das ITER-Projekt (International Thermonuclear Experimental Reactor). Es ist ein Reaktor vom Tokamak-Typ, 45% der Mittel stellt die EU zur Verfügung. Der Baubeginn war 2009, die Fertigstellung soll 2018 sein. Veranschlagt sind derzeit 7,2 Mrd. Euro.
Der internationale Versuchsreaktor DEMO soll erstmals mehr Energie liefern, als zur Aufrechterhaltung des Prozesses nötig ist. Er soll etwa 2024 dem ITER folgen, ist aber noch nicht beschlossen. 8 Milliarden Euro aus EU-Mittel sind veranschlagt, es werden sicher mehr. Aber bedenken wir, die BSE-Seuche hat 5 Milliarden gekostet. Die Kohlesubventionen in Deutschland seit den 1950er Jahren betrugen je nach Rechenart 300 bis 400 Mrd. D-Mark.
Die erwarteten Vorteile der Kernfusion sind bestechend, wiewohl sie noch zu verifizieren sind:
Der Brennstoff ist unerschöpflich, nämlich – das Wasser in den Weltmeeren. Aus dem wird Schweres Wasser (Deuterium) mittels Elektrolyse gewonnen. Als weitere Komponente dient Überschweres Wasser (Tritium), das mithilfe von Lithium gewonnen wird.
Das Tritium kann im Fusionsreaktor erbrütet werden.
Das alles in verhältnismäßig kleinen Mengen: Theoretisch sind 86 g dieses Brennstoffgemischs erforderlich, um die Energie von 1.000 t Kohle darzustellen. Die „Asche” dieses Prozesses ist Helium.
Weitere Vorteile gegenüber der Kernspaltung sind:

  • Es fällt kein CO2 an. Es findet keine Kettenreaktion statt, die entgleiten könnte. Sobald sich nur eine der Bedingungen für das Plasma ändert, schaltet sich der Prozess ab.

  • Es kann auch nicht zu einer Kernschmelze kommen. Das Tritium ist schwach radioaktiv und gut manipulierbar, die Strahlung dringt nicht durch die Haut.

  • Die Auskleidung des Plasmagefäßes (Blanket), an dem die Wärme entsteht und abzuführen ist, wird durch den Neutronenbeschuss verstrahlt und muss von Zeit zu Zeit getauscht werden. Es ist möglich und bedarf weiterer Forschung, Materialien einzusetzen, die dagegen stabil sind. Denkbar ist auch die Anwendung der Transmutation.


Es muss angenommen werden, dass unter dem Eindruck der aktuellen Diskussion die Forschungsmittel für die Kernfusion, die in die Milliarden gehen, zu versiegen drohen. Auch und gerade in der reichen BRD, in der eine technikfeindliche Debatte tobt. Dabei haben Forschungseinrichtungen wie Garching bei München oder Greifswald immer wieder für Aufsehen erregende Ergebnisse in der Fusionsforschung gesorgt.11
Dazu passt eine Meldung in der SZ vom 5.5.2011: An der TU München wird ein neuer Studiengang eingerichtet, nicht etwa für Kernfusion, sondern für Games Engineering, also für PC-Spiele. So wird also Lehre und Forschung betrieben in diesem Land!

Anmerkungen:
7 Herzuleiten aus der Formel für die kinetische Energie Wkin = mv2 / 2.
c ist in der Einsteinschen Formel die Lichtgeschwindigkeit. Als Otto Hahn 1938 die erste Kernspaltung durchführte, war es Lise Meitners Verdienst, mit Hilfe der Einsteinschen Formel die Entdeckung erklären zu können. Lise Meitner wie auch Einstein waren bereits im Exil. Die Nazis stellten damals der „Jüdischen Physik” ihre „Deutsche Physik” entgegen.
8 Fakten aus der Broschüre „Eigentum vernichtet – Atomenergie im Würgegriff der Konzerne”. Peter Scheinost, 1964–1991. Hrsg. KHB München, 1988.
9 ?therm = 1 – Tmin / Tmax
10 Motorwelt 1/12: 3.900 Tote in 2011, Tendenz steigend.
11 Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching wird z.B. eine Ionenquelle zur Zündung des Plasmas entwickelt. In Greifswald, in einem Teilinstitut des IPP seit 1994, wird eine Alternative zum Tokamak-Typ, der Stellarator erprobt.


 
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