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Von belinda

Am 5. November 2007 haben mehr als 3.000 Drehbuchautorinnen und -autoren in Hollywood die Federn niedergelegt und sind in den Streik getreten. Die Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) kämpft um höhere Beteiligungen an DVD-Tantiemen sowie an den Einnahmen über Internet und Mobilfunk. Von den Einnahmen einer DVD, die beispielsweise 14 Euro kostet, erhalten die Autorinnen und Autoren bisher nur etwa drei Cent, und bei sämtlichen Downloads von Internetseiten wie iTunes gehen sie komplett leer aus. Ihre Forderung: gerechte Gewinnbeteiligung.

Die fetten Gewinne der Filmindustrie streifen diejenigen ein, die die Ideen von anderen verkaufen und sie nicht entsprechend dafür bezahlen. Denn bekämen sie einen fairen Anteil, könnten den Filmstars keine Millionengehälter bezahlt werden, und die Produktionsfirmen könnten sich nicht mittels Lizenzen ihre lebenslangen Goldesel erhalten. In diesem Fall handelt es sich um die AMPTP (Allianz der Film- und Fernsehproduzenten), die bestreikt wird. Über Monate hinweg weigerte sich der Vorstand, auf die Forderungen der Gewerkschaft einzugehen. Die AMPTP ist ein Zusammenschluss aus über 350 großen Filmstudios und somit eines der milliardenschwersten Unternehmen der USA. Warner, Disney und Co. verdienen sich goldene Nasen, weil sie in der Verwertungskette von Entstehung über Produktion bis hin zum Verkauf immer mehr Beschneidungen vornehmen, damit sie als Lizenzberechtigte soviel wie möglich absahnen und ja nicht zuviel an die Menschen, die für die Produktionen arbeiten, abgeben müssen. Denn wer die Rechte hat, hat die Millionen

Speechless without writers

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Ohne die Drehbuchautorinnen und -autoren gäbe es keinen einzigen Film, keine Serie, und Hollywood wäre nicht das, was es heute ist: ein Stück amerikanischer Kultur, von der ganzen Welt mitgetragen. Vor allem gäbe es ohne die Drehbücher und die, die sie schreiben, keine Milliardengewinne für NBC, Universal Studios, Warner Bros., Sony Picture Entertainments, Walt Disney Company und wie sie alle heißen. Man kennt diese Namen, und alle assoziieren Hunderte Filme mit ihnen. Da ist es leicht vorstellbar, welche Unsummen an Gewinnen in diesen Produktionen stecken, wenn man nur die Gehälter vieler Hollywoodstars, die zwischen 15 und 100 Millionen Dollar rangieren, bedenkt. Und sogar abzüglich dieser hohen Unkosten ist es ein sehr rentables Geschäft, weil die zig Millionen wieder eingespielt werden, aber die, die die Ideen liefern, sehen kaum etwas davon.
Das ist zwar ungerecht aber nicht neu; immerhin streikte die Writers Guild in Hollywood 1988 schon einmal vier Monate lang. Inzwischen gibt es neue Medien, um deren Erträge gekämpft werden muss. Denn von den horrenden Gewinnen der Downloads im Internet sehen die Autorinnen und -autoren keinen Cent. Sie aber liefern die kreative Basis für die Unterhal-tung und werden minimal oder gar nicht am Gewinn ihrer Arbeit beteiligt.

Repressionen

Um den Autorinnen und Autoren ihre Rechte zu verwehren, nahmen die Filmstudios und Verlage einiges in Kauf. Dreharbeiten zu zahlreichen Filmen und Fernsehserien mussten eingestellt werden, da die Drehbücher ausblieben. Zahlreiche Arbeitsplätze in der Traumfabrik wurden gestrichen, da sie durch den Streik nicht mehr finanzierbar gewesen wären. Warner Bros. drohte mit der Kündigung von 1.000 Arbeiterinnen und Arbeitern. Der amerikanische Fernsehsender NBC entließ 175 Personen aufgrund des Streiks. Die Talkmaster Jay Leno und Conan O'Brian kündigten an, die Gehälter der betroffenen Leute zumindest in nächster Zeit aus eigener Tasche zu bezahlen. Insgesamt sind 150.000 Arbeitsplätze im Wackeln, und Tausende wurden bereits gekündigt, ungewiss ob sie nach dem Ende des Streiks ihre Arbeit wieder bekommen. Die AMPTP hofft, die Leute wieder einstellen zu können.

Klassischerweise wird versucht, in Kalifornien Feindschaften gegen die Streikenden zu schüren, um von den Urhebern der Ungerechtigkeit im Filmgeschäft abzulenken. Die Homepage der AMPTP verfügt über einen Zähler, der zeigt, welche Unsummen der Streik angeblich verschlingt. Zynischerweise sind es die Produktionsfirmen, die die Streikschäden anprangern, wo sie es doch sind, die den Streik jederzeit beenden hätten können, indem sie vom Riesenkuchen der Erträge aus Film und Fernsehen etwas abgeben und deren Profitgier es ist, die solche Verluste erst ermöglichen. Kündigungsdruck und öffentliche Verhetzung sind gängige Methoden in einem Arbeitskampf, um die Menschen einzuschüchtern und/oder zu verhetzen.

Solidarität

[file-periodicals#43]Diese Versuche der Spaltung der arbeitenden kalifornischen Bevölkerung gingen jedoch nicht auf, der Streik dauerte weiter an und wurde auch prominent und folgenschwer unterstützt. Die Screen Actors Guild (SAG) als mächtigste Gewerkschaft der Schauspielerinnen und Schauspieler solidarisierte sich mit den Streikenden, was sogar zur Absage der Golden-Globe-Verleihung führte. Die Streikenden hatten angekündigt bei der Preisverleihungsgala Streikposten einzurichten und die Actors Giuld verlautbarte, dass sie die Posten nicht durchbrechen werde. Alle für nominierten Schauspielerinnen und Schauspieler, unter anderem Tom Hanks, George Clooney und Julia Roberts, boykottierten die Gala, und die Veranstaltung wurde abgesagt. Kaum zu glauben, dass millionenschwere Hollywoodstars Solidarität mit einem Arbeitskampf über die glamouröse Selbstdarstellung stellen. Die SGA setzte damit ein wichtiges Zeichen für die Einheit der Lohnabhängigen im Filmgeschäft gegenüber den Bonzen in den Studios.

Mehr Rechte

Schließlich wurde am 17. Februar nach über drei Monaten Streik eine Einigung erzielt, die den Streik vorerst beendete. Die nahende Oskar-Verleihung am 24. Februar dürfte den Druck auf die AMPTP erhöht haben, denn der Streik hätte auch diese Gala massiv gefährdet. Die Streikposten waren bereits angekündigt, und das Goldkerlchen hatte erneut einen Boykott zu befürchten.
Vermutlich um diesem Skandal und Geschäftsverlust zu entgehen, haben die Produktionsfir-men den Autorinnen und Autoren einen vorläufigen neuen Arbeitsvertrag mit dreijähriger Laufzeit und Gehaltserhöhungen von etwa drei Prozent angeboten. Die Gewerkschaft hat sich darauf eingelassen. Die vorläufige Vereinbarung sei zwar nicht perfekt, so die Gewerkschaftsvorsitzenden in einem Mail an die Mitglieder, aber man habe viel erreicht. Laut dem neuen Arbeitsvertrag bekommen die Schreibenden zumindest im dritten Jahr mehr Anteile am Verkauf ihrer Arbeit via Internet.

Macht durch Einigkeit

Es mag seltsam erscheinen, und doch ist es ein Zeichen für Fortschritt, dass keine Existenzge-fährdung mehr notwendig ist, damit die arbeitenden Menschen aufbegehren. Denn die Berufsgruppe der Drehbuchautorinnen und -autoren gehört bestimmt nicht zu den Armen Ame-rikas. Nichtsdestotrotz wussten sie, was ihnen zusteht und wer es ihnen wegnimmt. Die Forderungen wurden zwar nicht alle erfüllt, aber die WGA hat gezeigt, dass man stückweise für seine Rechte kämpfen muss und damit jeden noch so vergoldeten Thron ins Wackeln bringen kann. Sie hat der Welt gezeigt, wie viel Macht in der Arbeit von einzelnen steckt, wenn diese Macht erkannt und kollektiv eingesetzt wird.

 
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