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•NEUES THEMA21.12.2022, 22:05 Uhr
EDIT: FPeregrin
27.12.2022, 17:50 Uhr
27.12.2022, 17:50 Uhr
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• Großbritannien: Die Streikwelle ab 2022
jW morgen:
Ohne Labour kämpfen und siegen
Jahresrückblick 2022. Heute: Großbritannien. Die größte Streikwelle seit Jahrzehnten rollt durchs Königreich
Von Dieter Reinisch
In Großbritannien geht ein Jahr der Massenstreiks zu Ende. Landesweit toben seit dem Sommer die Arbeitskämpfe. Es sind die größten seit den 1980er Jahren. Und die Welle reißt nicht ab, im Gegenteil.
Am Mittwoch traten in England und Wales etwa 25.000 Rettungswagenfahrer in den Ausstand. Am Vorabend hatte Gesundheitsminister Stephen Barclay einen Vermittlungsversuch platzen lassen. Der Jurist von den Tories weigert sich beharrlich, über etwas anderes zu reden als die angebotene Lohnerhöhung um vier Prozent. 750 Soldatinnen und Soldaten wurden am Mittwoch als Streikbrecher eingesetzt, allerdings nur für Krankentransporte und nicht für Notfälle.
Für den 28. Dezember haben die Krankenwagenfahrer einen weiteren Streik angekündigt, und ihr Kampf ist längst nicht der einzige im chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystem NHS. Am Dienstag waren bereits an die 100.000 Pflegerinnen und Pfleger in England, Wales und Nordirland im Ausstand. »Wir sind alle völlig überarbeitet und unterbezahlt«, erklärte Krankenpflegerin Lucy Savage von der Aintree-Universitätsklinik in Liverpool gegenüber Times Radio. Das NHS sei »ein einziger Scherbenhaufen«.
»Enough is enough«
Die Krankenstationen im Königreich sind seit Jahren überfüllt. Vor Notaufnahmen warten Rettungswagen oft stundenlang, um Patienten zu übergeben. Routineeingriffe können jahrelang nicht vorgenommen werden. Während die Arbeitsbelastung immer größer wurde, sind die Reallöhne von Krankenschwestern und Krankenpflegern seit 2010 um ungefähr 20 Prozent gesunken, was vor allem auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten zurückzuführen ist. Der hat sich in diesem Jahr deutlich beschleunigt, vor allem in der zweiten Hälfte – seit dem Sommer sind die Inflationsraten zweistellig.
Zugleich kamen in einigen Gewerkschaften neue Persönlichkeiten an die Spitze, die auf Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate bestehen. So kam Mitte des Jahres eine Streikwelle ins Rollen, wie sie das Land seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Eine der kämpferischsten Gewerkschaften ist Unite. Mit knapp 1,5 Millionen Mitgliedern ist sie die zweitgrößte des Landes. Seit August 2021 ist Sharon Graham die Vorsitzende, und seitdem ist die Organisation deutlich kämpferischer.
Von Januar bis Oktober führte Unite 450 Arbeitskämpfe für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und den Erhalt von Jobs – mehr als in allen Vorjahren seit 2007 zusammen. Derzeit führt Unite 147 Arbeitskämpfe an.
»Wir haben seit August 2021, als ich Vorsitzende wurde, 80 Prozent aller Streitigkeiten gewonnen. Mehr als 100.000 Unite-Mitglieder waren im Streik, und über 200 Millionen Pfund mehr Gehalt konnten gewonnen werden«, betonte Graham stolz in der vergangenen Woche auf einem Treffen der Gewerkschaftsführung.
Die Jahrzehnte, in denen die Gewerkschaften lediglich reformistische Arme von Labour waren, sind vorbei. Dem Bild des verhandelnden Bürokraten könnte Graham kaum weniger entsprechen. Ihre Vorstellung von Gewerkschaftsarbeit ist eine andere: »Als Gewerkschaftsführerin wache ich jeden Morgen mit dem Wissen auf, dass es meine Aufgabe ist, mehr Geld in die Taschen der Arbeiter zu bekommen, und das ist es, was ich jeden Tag tue.« Graham geht auch öffentlich auf Distanz zu Labour und ihrem Vorsitzenden Keir Starmer, der die Arbeitskämpfe nicht unterstützt.
In beinahe allen Branchen wurde in der zweiten Hälfte des Jahres gestreikt, oft mit Erfolg. So bekommen die Hafenarbeiter in Felixstowe 15,5 Prozent mehr Lohn, ihre Kollegen am Liverpooler Hafen sogar 14,3 bis 18,6 Prozent mehr. Zuletzt erkämpften die Lohnabhängigen bei Rolls Royce eine 17,6-prozentige Gehaltserhöhung.
Zu den entschlossensten Streikenden gehören die Eisenbahner der Transportarbeitergewerkschaft RMT. Ihr Generalsekretär Michael »Mick« Lynch ist auch das bekannteste Gesicht der aktuellen Kämpfe. Die Eisenbahner sind seit Juni im Arbeitskampf. Nach dem Tod der Queen im September gab es eine Unterbrechung, aber seitdem nahmen die Kämpfe stetig Fahrt auf. Seit Mitte Dezember finden nun tagtäglich regionale und nationale Kampfmaßnahmen der Eisenbahner statt. Lynch tritt aber auch bei vielen anderen Arbeitskämpfen als Redner auf, zuletzt etwa auf Kundgebungen der an Universitäten angestellten Wissenschaftler.
Die meisten Proteste und Arbeitskämpfe werden mittels der Plattform »Enough is enough« (Genug ist genug) organisiert. Die 2022 aufgelegte Gewerkschaftskampagne fordert Reallohnerhöhungen, öffentlichen Wohnungsbau, Reichensteuern sowie günstige Lebensmittel und Heizkosten. Im ersten Monat ihres Bestehens schlossen sich 800.000 Personen an.
Am 1. Oktober organisierte die Plattform einen Aktionstag mit Protesten in 50 Städten im ganzen Land. Er war der Auftakt für einen »heißen Herbst«: Kellner, Krankenpfleger, Lehrer, Busfahrer, Flughafenangestellte, Angestellte des Gesundheitswesens, Postangestellte, Straßenarbeiter, Zollbeamte und viele mehr streikten in den drauffolgenden Wochen.
Ein größerer Gegner
In diesem Monat hat die Streikwelle nun ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Laut einer Studie von Bloomberg werden im Dezember 1,5 Millionen Streiktage gezählt. Es ist der intensivste Streikmonat seit Juli 1989. Im letzten Jahr der Regierung von Margaret Thatcher waren die Arbeiter insgesamt 2,5 Millionen Tage im Streik. Für 2022 wird die Zahl der Streiktag nur knapp darunter liegen. Bei Bahn, Post und Grenzschutz soll während der Weihnachtszeit gestreikt werden, auch hier ist wieder der Einsatz von Soldaten als Streikbrecher geplant. Bis Mitte Januar sind Arbeitsniederlegungen angekündigt.
Die Regierung versucht zu mauern und macht sich daran, das Streikrecht zu unterminieren. 2023 könnte es wie 1985 am Ende der Bergarbeiterstreiks zum Showdown zwischen Regierung und Gewerkschaften kommen. Die Chancen, dass die Gewerkschaften gewinnen, stehen diesmal gut. Laut einer BBC-Umfrage unterstützten im Herbst mehr als 60 Prozent der Bevölkerung die Arbeitskämpfe.
Nicht unterstützt werden sie jedoch von Labour. Noch liegt die Partei im Umfragehoch. Das könnte sich aber rasch ändern, denn 2022 hat den Gewerkschaften gezeigt, dass sie auch ohne Labour kämpfen und siegen können. Vielen Funktionären ist bewusst, dass sie sich politisch organisieren müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die rechte Clique um Starmer hat den linken Flügel um Jeremy Corbyn zwar innerparteilich neutralisiert, mit der neuen Militanz der Gewerkschaften könnte ihr 2023 aber ein viel größerer Gegner aus der Arbeiterklasse gegenüberstehen.
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Ohne Labour kämpfen und siegen
Jahresrückblick 2022. Heute: Großbritannien. Die größte Streikwelle seit Jahrzehnten rollt durchs Königreich
Von Dieter Reinisch
In Großbritannien geht ein Jahr der Massenstreiks zu Ende. Landesweit toben seit dem Sommer die Arbeitskämpfe. Es sind die größten seit den 1980er Jahren. Und die Welle reißt nicht ab, im Gegenteil.
Am Mittwoch traten in England und Wales etwa 25.000 Rettungswagenfahrer in den Ausstand. Am Vorabend hatte Gesundheitsminister Stephen Barclay einen Vermittlungsversuch platzen lassen. Der Jurist von den Tories weigert sich beharrlich, über etwas anderes zu reden als die angebotene Lohnerhöhung um vier Prozent. 750 Soldatinnen und Soldaten wurden am Mittwoch als Streikbrecher eingesetzt, allerdings nur für Krankentransporte und nicht für Notfälle.
Für den 28. Dezember haben die Krankenwagenfahrer einen weiteren Streik angekündigt, und ihr Kampf ist längst nicht der einzige im chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystem NHS. Am Dienstag waren bereits an die 100.000 Pflegerinnen und Pfleger in England, Wales und Nordirland im Ausstand. »Wir sind alle völlig überarbeitet und unterbezahlt«, erklärte Krankenpflegerin Lucy Savage von der Aintree-Universitätsklinik in Liverpool gegenüber Times Radio. Das NHS sei »ein einziger Scherbenhaufen«.
»Enough is enough«
Die Krankenstationen im Königreich sind seit Jahren überfüllt. Vor Notaufnahmen warten Rettungswagen oft stundenlang, um Patienten zu übergeben. Routineeingriffe können jahrelang nicht vorgenommen werden. Während die Arbeitsbelastung immer größer wurde, sind die Reallöhne von Krankenschwestern und Krankenpflegern seit 2010 um ungefähr 20 Prozent gesunken, was vor allem auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten zurückzuführen ist. Der hat sich in diesem Jahr deutlich beschleunigt, vor allem in der zweiten Hälfte – seit dem Sommer sind die Inflationsraten zweistellig.
Zugleich kamen in einigen Gewerkschaften neue Persönlichkeiten an die Spitze, die auf Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate bestehen. So kam Mitte des Jahres eine Streikwelle ins Rollen, wie sie das Land seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Eine der kämpferischsten Gewerkschaften ist Unite. Mit knapp 1,5 Millionen Mitgliedern ist sie die zweitgrößte des Landes. Seit August 2021 ist Sharon Graham die Vorsitzende, und seitdem ist die Organisation deutlich kämpferischer.
Von Januar bis Oktober führte Unite 450 Arbeitskämpfe für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und den Erhalt von Jobs – mehr als in allen Vorjahren seit 2007 zusammen. Derzeit führt Unite 147 Arbeitskämpfe an.
»Wir haben seit August 2021, als ich Vorsitzende wurde, 80 Prozent aller Streitigkeiten gewonnen. Mehr als 100.000 Unite-Mitglieder waren im Streik, und über 200 Millionen Pfund mehr Gehalt konnten gewonnen werden«, betonte Graham stolz in der vergangenen Woche auf einem Treffen der Gewerkschaftsführung.
Die Jahrzehnte, in denen die Gewerkschaften lediglich reformistische Arme von Labour waren, sind vorbei. Dem Bild des verhandelnden Bürokraten könnte Graham kaum weniger entsprechen. Ihre Vorstellung von Gewerkschaftsarbeit ist eine andere: »Als Gewerkschaftsführerin wache ich jeden Morgen mit dem Wissen auf, dass es meine Aufgabe ist, mehr Geld in die Taschen der Arbeiter zu bekommen, und das ist es, was ich jeden Tag tue.« Graham geht auch öffentlich auf Distanz zu Labour und ihrem Vorsitzenden Keir Starmer, der die Arbeitskämpfe nicht unterstützt.
In beinahe allen Branchen wurde in der zweiten Hälfte des Jahres gestreikt, oft mit Erfolg. So bekommen die Hafenarbeiter in Felixstowe 15,5 Prozent mehr Lohn, ihre Kollegen am Liverpooler Hafen sogar 14,3 bis 18,6 Prozent mehr. Zuletzt erkämpften die Lohnabhängigen bei Rolls Royce eine 17,6-prozentige Gehaltserhöhung.
Zu den entschlossensten Streikenden gehören die Eisenbahner der Transportarbeitergewerkschaft RMT. Ihr Generalsekretär Michael »Mick« Lynch ist auch das bekannteste Gesicht der aktuellen Kämpfe. Die Eisenbahner sind seit Juni im Arbeitskampf. Nach dem Tod der Queen im September gab es eine Unterbrechung, aber seitdem nahmen die Kämpfe stetig Fahrt auf. Seit Mitte Dezember finden nun tagtäglich regionale und nationale Kampfmaßnahmen der Eisenbahner statt. Lynch tritt aber auch bei vielen anderen Arbeitskämpfen als Redner auf, zuletzt etwa auf Kundgebungen der an Universitäten angestellten Wissenschaftler.
Die meisten Proteste und Arbeitskämpfe werden mittels der Plattform »Enough is enough« (Genug ist genug) organisiert. Die 2022 aufgelegte Gewerkschaftskampagne fordert Reallohnerhöhungen, öffentlichen Wohnungsbau, Reichensteuern sowie günstige Lebensmittel und Heizkosten. Im ersten Monat ihres Bestehens schlossen sich 800.000 Personen an.
Am 1. Oktober organisierte die Plattform einen Aktionstag mit Protesten in 50 Städten im ganzen Land. Er war der Auftakt für einen »heißen Herbst«: Kellner, Krankenpfleger, Lehrer, Busfahrer, Flughafenangestellte, Angestellte des Gesundheitswesens, Postangestellte, Straßenarbeiter, Zollbeamte und viele mehr streikten in den drauffolgenden Wochen.
Ein größerer Gegner
In diesem Monat hat die Streikwelle nun ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Laut einer Studie von Bloomberg werden im Dezember 1,5 Millionen Streiktage gezählt. Es ist der intensivste Streikmonat seit Juli 1989. Im letzten Jahr der Regierung von Margaret Thatcher waren die Arbeiter insgesamt 2,5 Millionen Tage im Streik. Für 2022 wird die Zahl der Streiktag nur knapp darunter liegen. Bei Bahn, Post und Grenzschutz soll während der Weihnachtszeit gestreikt werden, auch hier ist wieder der Einsatz von Soldaten als Streikbrecher geplant. Bis Mitte Januar sind Arbeitsniederlegungen angekündigt.
Die Regierung versucht zu mauern und macht sich daran, das Streikrecht zu unterminieren. 2023 könnte es wie 1985 am Ende der Bergarbeiterstreiks zum Showdown zwischen Regierung und Gewerkschaften kommen. Die Chancen, dass die Gewerkschaften gewinnen, stehen diesmal gut. Laut einer BBC-Umfrage unterstützten im Herbst mehr als 60 Prozent der Bevölkerung die Arbeitskämpfe.
Nicht unterstützt werden sie jedoch von Labour. Noch liegt die Partei im Umfragehoch. Das könnte sich aber rasch ändern, denn 2022 hat den Gewerkschaften gezeigt, dass sie auch ohne Labour kämpfen und siegen können. Vielen Funktionären ist bewusst, dass sie sich politisch organisieren müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die rechte Clique um Starmer hat den linken Flügel um Jeremy Corbyn zwar innerparteilich neutralisiert, mit der neuen Militanz der Gewerkschaften könnte ihr 2023 aber ein viel größerer Gegner aus der Arbeiterklasse gegenüberstehen.
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•NEUER BEITRAG27.12.2022, 17:10 Uhr
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arktika | |
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Da kann die ArbeiterInnenklasse in der BRD (und auch die GewerkschafterInnen in den DGB-Gewerkschaften) zweierlei draus lernen:
1. Kämpfen lohnt sich! Schluß mit der immer noch in Teilen der Gewerkschaften (bes. der "höheren Etagen") vorhandenen "Sozialpartnerschaft"shoffnung!
2. Beendigung der immer-noch-treu-Ergebenheit vieler GewerkschafterInnen gegenüber der SPD, stattdessen Besinnung auf Klasseninteressen u. Vertrauen auf die eigene Stärke bzw. erstmal solche aufbauen.
1. Kämpfen lohnt sich! Schluß mit der immer noch in Teilen der Gewerkschaften (bes. der "höheren Etagen") vorhandenen "Sozialpartnerschaft"shoffnung!
2. Beendigung der immer-noch-treu-Ergebenheit vieler GewerkschafterInnen gegenüber der SPD, stattdessen Besinnung auf Klasseninteressen u. Vertrauen auf die eigene Stärke bzw. erstmal solche aufbauen.
•NEUER BEITRAG27.12.2022, 17:21 Uhr
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s. dazu auch den am 21.11.2022 begonnenen Thread Großbritannien: siegreiche Arbeitskämpfe im Hafen
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•NEUER BEITRAG08.08.2023, 00:28 Uhr
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Großbritannien: Die Streikwelle ab 2022
Streiks bei Amazon in GB: Seit 1 Jahr Arbeitskämpfe, seit Januar 2023 Streiks --> Tendenz: Zunehmend!!! Und erfolgreich! Dank zunehmender Organisierung der ArbeiterInnen!
Dieter Reinisch berichtet in der heutigen jW:
Ein Jahr Arbeitskampf bei Amazon UK
Beschäftigte des Onlineriesen streiken und erinnern an Beginn des Lohnkampfs im August 2022
Amazon steht wie kaum ein anderer Konzern für miserable Arbeitsbedingungen in der Onlinebranche. Undurchsichtige Anstellungsverhältnisse, Scheinselbständigkeit, Unterbezahlung, Fehlen von Kollektivverträgen, Überwachung durch das Unternehmen, kein Krankenstand oder Urlaubsanspruch, All-in-Verträge und Verbot von Gewerkschaften sind nur einige der bekannten Beispiele. Weltweit regt sich zunehmend Widerstand der Belegschaft. Am Amazon-»Prime Day« Mitte Juli protestierten Amazon-Arbeiter in vielen Ländern, darunter den USA und Deutschland.
Seit August 2022 kämpfen auch die britischen Angestellten des Onlineriesen für bessere Löhne und gewerkschaftliche Organisierung. Den Jahrestag begingen sie mit den größten Streiks bei Amazon in Großbritannien. Bei den vorangegangenen Arbeitsniederlegungen hatte das Unternehmen noch Leiharbeiter als Streikbrecher eingestellt. Doch aufgrund der hohen Beteiligung an den Streiks am Sonnabend musste das Verteilzentrum in Coventry gänzlich geschlossen werden. Im Verteilzentrum in Rugeley wurde schon am Donnerstag und Freitag die Arbeit niedergelegt, in Coventry am Freitag und Sonnabend. An dem Tag wurde vor dem Standort eine Demonstration in Solidarität mit den Amazon-Arbeitern abgehalten.
Vor einem Jahr gab es noch gar keine gewerkschaftliche Organisierung bei Amazon in Großbritannien. Heute sind die meisten Arbeiter Mitglieder der Gewerkschaft GMB. Die GMB-Organisatorin bei Amazon UK, Rachel Fagan, schrieb in einer Mitteilung vom Wochenende: »Vor einem Jahr legten Amazon-Arbeiter voller Empörung ihre Arbeit nieder, nachdem die Manager angekündigt hatten, dass eines der reichsten Unternehmen der Welt eine Gehaltserhöhung von nur 35 Pence anbieten würde.« Zwölf Monate später erlebe der Konzern die größte Streikwoche in der (britischen) Unternehmensgeschichte, so Fagan. Die Gewerkschafterin sprach den Arbeitern Mut zu, die »standhaft blieben, obwohl Amazon alles versucht, um sie zu stoppen«.
Die Arbeiter fordern einen Stundenlohn von 15 Pfund Sterling (17,50 Euro) und die Anerkennung ihrer gewerkschaftlichen Rechte, was von Amazon bislang verweigert wird. Fagan erklärte daher hierzu: »Dieser Arbeitskampf wird sich weiter ausbreiten. Der Kampf für Arbeiterrechte bei Amazon UK beginnt gerade erst.«
Am 4. August 2022 waren in den britischen Amazon-Standorten vom Management Versammlungen einberufen worden. 9,98 Pfund Sterling war damals der Stundenlohn und es kursierten unter der Belegschaft Gerüchte, dass das Unternehmen ihnen nun zwölf Pfund bezahlen wolle. Doch die Erwartungen schlugen rasch in völlige Frustration um: Magere 35 Pence (41 Cent) sollte die Lohnerhöhung bringen.
»Wir hatten die gesamte Pandemiezeit ohne Lohnerhöhung durchgearbeitet. Wir haben sogar während der Lockdowns gearbeitet. Bekommen haben wir dafür nichts«, erzählte ein frustrierter Arbeiter damals in der britischen Tageszeitung Morning Star. Im Verteilzentrum Coventry wurde spontan eine Betriebsversammlung einberufen. Sie dauert vier Stunden, obwohl das Management den Anwesenden androhte, sie alle auszustempeln und ihre Schicht zu beenden, was einen Verlust des Tageslohns bedeutet hätte.
Die Arbeiter, die bisher noch keine Erfahrung mit Betriebsarbeit hatten, versuchten sich zu organisieren. Im September wurde eine Abstimmung abgehalten: Die Streikpläne scheiterten, es fehlten nur drei Stimmen.
Danach traten einige Beschäftigte mit der Gewerkschaft GMB in Kontakt und besuchten Seminare und Workshops. Die systematische Gewerkschaftsarbeit begann, und im Laufe des Herbstes 2022 wurde abermals abgestimmt. Bei einer Beteiligung von 63 Prozent stimmten nun 98 Prozent für Streiks. Am 25. Januar 2023 legten dann erstmals Amazon-Arbeiter in Großbritannien ihre Arbeit nieder. Nach diesem 24stündigen Streik folgten noch 25 weitere. Der Kampf wurde daraufhin auf andere Verteilzentren ausgeweitet.
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#Streik
#amazon
#Grossbritannien
Dieter Reinisch berichtet in der heutigen jW:
Ein Jahr Arbeitskampf bei Amazon UK
Beschäftigte des Onlineriesen streiken und erinnern an Beginn des Lohnkampfs im August 2022
Amazon steht wie kaum ein anderer Konzern für miserable Arbeitsbedingungen in der Onlinebranche. Undurchsichtige Anstellungsverhältnisse, Scheinselbständigkeit, Unterbezahlung, Fehlen von Kollektivverträgen, Überwachung durch das Unternehmen, kein Krankenstand oder Urlaubsanspruch, All-in-Verträge und Verbot von Gewerkschaften sind nur einige der bekannten Beispiele. Weltweit regt sich zunehmend Widerstand der Belegschaft. Am Amazon-»Prime Day« Mitte Juli protestierten Amazon-Arbeiter in vielen Ländern, darunter den USA und Deutschland.
Seit August 2022 kämpfen auch die britischen Angestellten des Onlineriesen für bessere Löhne und gewerkschaftliche Organisierung. Den Jahrestag begingen sie mit den größten Streiks bei Amazon in Großbritannien. Bei den vorangegangenen Arbeitsniederlegungen hatte das Unternehmen noch Leiharbeiter als Streikbrecher eingestellt. Doch aufgrund der hohen Beteiligung an den Streiks am Sonnabend musste das Verteilzentrum in Coventry gänzlich geschlossen werden. Im Verteilzentrum in Rugeley wurde schon am Donnerstag und Freitag die Arbeit niedergelegt, in Coventry am Freitag und Sonnabend. An dem Tag wurde vor dem Standort eine Demonstration in Solidarität mit den Amazon-Arbeitern abgehalten.
Vor einem Jahr gab es noch gar keine gewerkschaftliche Organisierung bei Amazon in Großbritannien. Heute sind die meisten Arbeiter Mitglieder der Gewerkschaft GMB. Die GMB-Organisatorin bei Amazon UK, Rachel Fagan, schrieb in einer Mitteilung vom Wochenende: »Vor einem Jahr legten Amazon-Arbeiter voller Empörung ihre Arbeit nieder, nachdem die Manager angekündigt hatten, dass eines der reichsten Unternehmen der Welt eine Gehaltserhöhung von nur 35 Pence anbieten würde.« Zwölf Monate später erlebe der Konzern die größte Streikwoche in der (britischen) Unternehmensgeschichte, so Fagan. Die Gewerkschafterin sprach den Arbeitern Mut zu, die »standhaft blieben, obwohl Amazon alles versucht, um sie zu stoppen«.
Die Arbeiter fordern einen Stundenlohn von 15 Pfund Sterling (17,50 Euro) und die Anerkennung ihrer gewerkschaftlichen Rechte, was von Amazon bislang verweigert wird. Fagan erklärte daher hierzu: »Dieser Arbeitskampf wird sich weiter ausbreiten. Der Kampf für Arbeiterrechte bei Amazon UK beginnt gerade erst.«
Am 4. August 2022 waren in den britischen Amazon-Standorten vom Management Versammlungen einberufen worden. 9,98 Pfund Sterling war damals der Stundenlohn und es kursierten unter der Belegschaft Gerüchte, dass das Unternehmen ihnen nun zwölf Pfund bezahlen wolle. Doch die Erwartungen schlugen rasch in völlige Frustration um: Magere 35 Pence (41 Cent) sollte die Lohnerhöhung bringen.
»Wir hatten die gesamte Pandemiezeit ohne Lohnerhöhung durchgearbeitet. Wir haben sogar während der Lockdowns gearbeitet. Bekommen haben wir dafür nichts«, erzählte ein frustrierter Arbeiter damals in der britischen Tageszeitung Morning Star. Im Verteilzentrum Coventry wurde spontan eine Betriebsversammlung einberufen. Sie dauert vier Stunden, obwohl das Management den Anwesenden androhte, sie alle auszustempeln und ihre Schicht zu beenden, was einen Verlust des Tageslohns bedeutet hätte.
Die Arbeiter, die bisher noch keine Erfahrung mit Betriebsarbeit hatten, versuchten sich zu organisieren. Im September wurde eine Abstimmung abgehalten: Die Streikpläne scheiterten, es fehlten nur drei Stimmen.
Danach traten einige Beschäftigte mit der Gewerkschaft GMB in Kontakt und besuchten Seminare und Workshops. Die systematische Gewerkschaftsarbeit begann, und im Laufe des Herbstes 2022 wurde abermals abgestimmt. Bei einer Beteiligung von 63 Prozent stimmten nun 98 Prozent für Streiks. Am 25. Januar 2023 legten dann erstmals Amazon-Arbeiter in Großbritannien ihre Arbeit nieder. Nach diesem 24stündigen Streik folgten noch 25 weitere. Der Kampf wurde daraufhin auf andere Verteilzentren ausgeweitet.
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