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Von gr

Vor allem seit dem Amoklauf eines Münchner Jugendlichen Ende Juli dieses Jahres wird die Bevölkerung mit aller Macht darauf eingestimmt, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren notwendig ist, um sie vor Terror zu beschützen. Doch die Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist bald so alt, wie diese Republik.

Terrorismus als nützlicher Vorwand

Seit den Angriffen auf das World Trade Center am 11. September 2001 wird der „internationale Terrorismus“ gerne als Beispiel für eine neue Bedrohungslage hergenommen, die den Einsatz des Militärs im Inneren notwendig mache. Seitdem fordern CDU/CSU mit dieser Begründung eine Änderung des Grundgesetzes. Es stört die Herrschaften dabei überhaupt nicht, dass sie den Einsatz des Militärs im Inneren schon zu Zeiten gefordert hatten, als diese Gefahren überhaupt noch nicht bekannt waren. So haben CDU und CSU bereits in den 60er Jahren den Einsatz der Bundeswehr im Inneren gefordert und schließlich in Form der Notstandsgesetze mit Hilfe der SPD in der damaligen Großen Koalition gegen heftigen Widerstand auch durchgepeitscht. Damals wurde der Einsatz der Streitkräfte unter anderem zur „Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“ ermöglicht. Allerdings muss dazu im Bundestag und Bundesrat erst einmal der Notstand festgestellt werden. Das war lange vor dem 11. September 2001. Schäuble hat dann 1993 erneut den Einsatz der Bundeswehr im Inneren gefordert, allerdings ohne dass dazu der Notstand festgestellt werden muss, sozusagen als Normalität. Schon damals erklärte er, dass die Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit nicht mehr eindeutig zu definieren seien, was dann in dem sicherheitspolitischen Weißbuch 2006 wieder auftauchte: Die bisher gültige Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit müsse überdacht werden, hieß es da (Süddeutsche Zeitung, 13./14. Mai 2006). Mit den Angriffen auf das World Trade Center konnte das 1993 jedenfalls nicht in Zusammenhang gebracht werden. Geschweige denn mit den Terrorangriffen klerikal-faschistischer Kräfte in Frankreich oder gar dem Amoklauf eines einzelnen Jugendlichen in München.

Zurück zur deutschen Normalität

[file-periodicals#192]Es geht also nicht um den Schutz der Bevölkerung vor Anschlägen, die das Militär ja auch gar nicht verhindern könnte. Es geht darum auch innenpolitisch die letzten militärischen Beschränkungen los zu werden bzw. sich über die hinwegzusetzen, die dem deutschen Imperialismus nach den grausamen Verbrechen des faschistischen deutschen Reiches auferlegt worden sind. Den deutschen Militarismus auszurotten, das war eine wesentliche Forderung nicht nur der alliierten Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch der Arbeiterbewegung und aller fortschrittlichen Kräfte hier im Land. Nun soll endlich auch innenpolitisch zurückgekehrt werden zur einstigen deutschen Normalität. Militär auf den Straßen, wie im Kaiserreich, der Weimarer Republik und im Faschismus zum Schutze der Interessen von Siemens, BMW, MAN, Deutsche Bank und wie sie alle heißen.

Erinnern wir uns doch: Nie war das Militär dazu da, die Bevölkerung vor „terroristischen Großlagen“ zu bewahren, wie in dem kürzlich von der Bundesregierung neu verabschiedeten Weißbuch der Bundeswehr der Einsatz des Militärs im Inneren begründet wird. Ganz im Gegenteil.
An den bisher katastrophalsten „terroristischen Großlagen“ der Geschichte war das deutsche Militär nach innen wie nach außen ganz wesentlich beteiligt: Den zwei Weltkriegen, die beide von deutschem Boden ausgingen. Es war das Militär, das die Münchner Räterepublik 1919 grausamst niederschlug, in der die Münchner Arbeiter ihre Lehren aus dem Krieg zogen und die Geschichte selbst in die Hand nehmen wollten. Es waren Teile des Militärs, die mit dem Kapp-Putsch 1920 bereits faschistische Verhältnisse errichten wollten, um die Arbeiterbewegung zum Schweigen zu bringen. Verhindert haben das die Arbeiterorganisationen, die sich im Kampf gegen die Putschisten zusammengeschlossen haben, nicht das restliche Militär. Es war das Militär, das in der Weimarer Republik auf demonstrierende Arbeiter schoss, die gegen Krieg und Faschismus und für den Sozialismus kämpften.

Kriegsvorbereitungen

Es ist eine Illusion zu meinen, das wäre heute alles ganz anders. Die BRD ist in allen möglichen Ländern an Kriegen beteiligt und bereitet sich erklärtermaßen auf weitere, größere Kriege vor. Wenn nun entsprechend der Vorgaben in dem aktuellen Weißbuch der Bundeswehr ganz offiziell die Zusammenarbeit von Polizei und Streitkräften in Übungen erprobt werden soll; wenn in dem gerade beschlossenen „Konzept zur zivilen Verteidigung“ von Angriffen mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen (sog. ABC-Waffen) ausgegangen und die Bevölkerung aufgerufen wird, sich selbst mit Vorräten einzudecken (Süddeutsche Zeitung, 5. August 2016), dann geht es nicht um Angriffe wie in New York oder Paris, sondern um Kriegsvorbereitung im Inneren. Und dazu gehört zuallererst, die Ruhe an der Heimatfront abzusichern.

„Das Miteinander aller (Hervorhebung durch den Verf.) in der gemeinsamen Sicherheitsvorsorge muss selbstverständlich sein“, heißt es in dem Weißbuch. Und was ist, wenn das nicht selbstverständlich ist? Wenn immer mehr Arbeiter und andere demokratischen Kräfte begreifen, dass es nicht um unsere Sicherheit geht, sondern um die Sicherheit der Maximalprofite von Siemens, BMW, MAN, Deutsche Bank ..., die nach außen wie nach innen „verteidigt“ werden müssen? Dann steht nicht nur eine hochgerüstete Polizei, sondern auch das Militär bereit.

Mischen wir uns also ein. Gegen Bundeswehreinsätze im Inneren, genauso wie in anderen Ländern!


 
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