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•NEUES THEMA14.12.2023, 13:39 Uhr
EDIT: arktika
14.12.2023, 13:52 Uhr
14.12.2023, 13:52 Uhr
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Dänemark - Nix "hygge" für arme Menschen
Dänemark - Nix "hygge" für arme Menschen und schon gar nicht, wenn diese auch noch "migrantischer" Herkunft sind. Während viele Menschen in der BRD Dänemark immer noch mit netten gemütlichen blonden etwas dicklichen Menschen in kleinen Einzel- oder Reihenhäuschen und Ferienhäusern nahe dem Wasser mit Kamin verbinden, sieht die Realität sehr anders aus, zumindest wenn man diesem Bild, das auch gerne in DK als Selbstbild gepflegt wird, nicht entspricht. Da ist dann schnell nichts mehr mit "hygge", sondern eher mit knallharten Repressalien. Hautfarbe u. Herkunft spielen dann keine besondere Rolle, diese "Politik" ist gegen alle Armen gerichtet, besonders wenn diese in gemeinsamen, billigen Wohnvierteln leben u. die gleichen Probleme haben ... Kampf den Ghettos ist die Parole der Herrschenden und selbstverständlich sind damit nur die Ghettos der Armen gemeint, nicht etwa Luxuswohngegenden, wo die, die sich diese "leisten" können, ebenfalls ihre "Gemeinschaft" pflegen. Diese sind nicht von Zwangsumsiedlungen und Häuserabrissen bedroht, um die Bereiche zu "entghettoisieren". Das betrifft nur die "Armen". Und unter diesen ist der Anteil von Menschen "Migrationshintergrund" eben höher als der von "ArierInnen". Was natürlich nichts, aber auch gar nichts mit Rassismus zu tun hat und schon gar nicht in Dänemark oder auch in der BRD - nie, nicht, niemals!
In der TAZ vom 6. Dez. von Reinhard Wolff:
Experiment in Dänemark:
Zwangsumsiedlung mit „Ghettoplan“
Mit Zwangsumsiedlungen will Dänemark Brennpunkte auflösen: Gebäude werden abgerissen, nicht nur migrantische BewohnerInnen vertrieben.
Zum Auszug gezwungen habe man ihn und seine Frau, er habe sich regelrecht erpresst gefühlt, erzählte Arif Mohammed in einer Reportage der dänischen Tageszeitung Politiken. Eines Tages seien Leute vom Wohnungsunternehmen gekommen: Das Haus sei verkauft worden, es werde nun renoviert, sie müssten die Wohnung räumen.
„Ich bin seit 32 Jahren in Dänemark und habe immer gearbeitet“, berichtete der in Pakistan geborene 55-jährige Taxifahrer. „Ich lebe nicht auf Kosten des Staates und habe das nie getan. Darauf bin ich sehr stolz.“ Sei denn der „Ghettoplan“ nicht wegen der Kriminellen beschlossen worden? Und was hätten er und seine Frau mit denen zu tun? „Ich wurde dafür bestraft, dass ich am selben Ort wie die lebe: eine grenzenlose Ungerechtigkeit.“
2018 hatte die konservative dänische Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen einen „Ghettoplan“ beschlossen. Eine Spezialgesetzgebung für Wohngebiete mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 50 Prozent „nicht-westlicher Einwanderer und ihrer Nachkommen“. Hintergrund war die wachsende Kriminalität im Kopenhagener Wohnviertel Mjølnerparken. Dieses wählte der Regierungschef auch deshalb demonstrativ, um vor einem großen Presseaufgebot die neue Integrationsgesetzgebung als „unsere letzte Chance“ zu präsentieren.
Das von einer breiten Parlamentsmehrheit von den Sozialisten bis zu den Rechtspopulisten unterstützte Gesetz macht Zwangsumsiedlungen möglich, wenn Wohnviertel zwei von vier Kriterien erfüllen: Mehr als 40 Prozent Arbeitslose, über 60 Prozent der über 30-Jährigen haben nur Grundschulausbildung, ein durchschnittliches Bruttoeinkommen, das 55 Prozent niedriger als der regionale Durchschnitt ist, oder eine dreimal höhere Kriminalitätsrate als im landesweiten Schnitt.
Stigmatisierung von Vierteln
Als offizielle Überschrift für diese Politik griff man ausgerechnet auf den Begriff „Ghetto“ zurück, ein von den Nazis verwendeter Terminus für jüdische Wohngebiete und Sammellager, die Übergangsstationen vor dem Transport in Vernichtungslager waren.
Erst ab 2021 wurden aus den jährlich aktualisierten „Ghettolisten“ „Parallelgesellschaften“, „Transformationsgebiete“ und „gefährdete Wohngebiete“. Was an der Stigmatisierung natürlich nichts geändert habe, kommentiert Louise Holck, die Direktorin des Dänischen Menschenrechtsinstituts. Trotz Auswechseln des Etiketts habe man hier ein Gesetz, „aufgrund dessen Menschen ihre Wohnungen wegen ihrer ethnischen Herkunft verlieren können“. Das sei „menschenrechtswidrige Ungleichbehandlung, ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot“.
Das offizielle Ziel dieser Politik, Dänemark bis 2030 „frei von Ghettos“ zu machen, will man dadurch erreichen, dass in diesen vorwiegend in den 1970er Jahren erbauten Gebieten mit Sozialwohnungen ein zwangsweiser „Austausch“ von bis zu 60 Prozent der BewohnerInnen stattfinden soll. Neu in diese aktuell 17 „Transformationsgebiete“ und 67 „gefährdeten Wohngebiete“ dürfen nämlich dann nur noch Menschen mit dänischer oder „westlicher“ Staatsangehörigkeit einziehen.
Abriss und Neubau
Die Sozialwohnungen sollen zu einem großen Teil verschwinden, bis zu 40 Prozent in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, wodurch der städtische Wohnungsbau noch mehr dem Markt überlassen wird, kritisieren ArchitekturprofessorInnen. Kommunen können außerdem bestimmen, dass Häuser aus „strategischen Gründen“ ganz abgerissen werden können. KritikerInnen sprechen von einem umwelt- und klimapolitischen Skandal: Für eine diskriminierende Wohnungspolitik würden funktionstüchtige Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Sie verweisen auf Studien, wonach Abrisse und Neubauten bis zu 300-mal klimaschädlicher sind als Sanierungen.
„Unnötig schlampig und brutal“, nennt Steffen Boel Jørgensen, der Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens, das Gesetz: „So schlecht, dass es sich jeder Beschreibung entzieht.“ Man überlasse es einfach den Wohnungsunternehmen, dafür zu sorgen, dass die Hälfte der Menschen ihre Wohnungen räumen müssen. Für einige dieser Unternehmen wurde das ein Freibrief, um kurzerhand allen MieterInnen zu kündigen oder die vom Gesetz bis 2030 befristete Vorgabe schnellstmöglich zu erreichen, um mit Verkäufen, Luxusrenovierungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen ihre Gewinne zu maximieren. Weshalb von dieser Ghettogesetzgebung keineswegs nur die MieterInnen mit „nichtwestlicher“ Herkunft betroffen sind.
Wie das Ghettogesetz sie aus ihrer Wohnung geworfen hat, schilderte die 80-jährige Rentnerin Lisbeth Bjerregaard Saugmann vor einigen Monaten gegenüber Medien. Kündigung mit dreimonatiger Frist wegen Renovierung und – weil Dänin – theoretisch eine mögliche spätere Aussicht auf einen neuen Vertrag. Aber mit einer Miete, die sie mit ihrer kleinen Pension vermutlich nicht zahlen kann. Die Renovierung sei auch gleich rücksichtslos angegangen worden. Als Erstes habe man die Gemeinschaftsräume herausgerissen, sodass die Seniorengruppe, die sie seit elf Jahren mit anderen Älteren gebildet habe, „keinen Ort mehr für gemeinsame Veranstaltungen und Treffen hatte und nicht einmal mehr eine Weihnachtsfeier für die Kinder von Mjølnerparken veranstaltet werden konnte“.
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In der TAZ vom 6. Dez. von Reinhard Wolff:
Experiment in Dänemark:
Zwangsumsiedlung mit „Ghettoplan“
Mit Zwangsumsiedlungen will Dänemark Brennpunkte auflösen: Gebäude werden abgerissen, nicht nur migrantische BewohnerInnen vertrieben.
Zum Auszug gezwungen habe man ihn und seine Frau, er habe sich regelrecht erpresst gefühlt, erzählte Arif Mohammed in einer Reportage der dänischen Tageszeitung Politiken. Eines Tages seien Leute vom Wohnungsunternehmen gekommen: Das Haus sei verkauft worden, es werde nun renoviert, sie müssten die Wohnung räumen.
„Ich bin seit 32 Jahren in Dänemark und habe immer gearbeitet“, berichtete der in Pakistan geborene 55-jährige Taxifahrer. „Ich lebe nicht auf Kosten des Staates und habe das nie getan. Darauf bin ich sehr stolz.“ Sei denn der „Ghettoplan“ nicht wegen der Kriminellen beschlossen worden? Und was hätten er und seine Frau mit denen zu tun? „Ich wurde dafür bestraft, dass ich am selben Ort wie die lebe: eine grenzenlose Ungerechtigkeit.“
2018 hatte die konservative dänische Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen einen „Ghettoplan“ beschlossen. Eine Spezialgesetzgebung für Wohngebiete mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 50 Prozent „nicht-westlicher Einwanderer und ihrer Nachkommen“. Hintergrund war die wachsende Kriminalität im Kopenhagener Wohnviertel Mjølnerparken. Dieses wählte der Regierungschef auch deshalb demonstrativ, um vor einem großen Presseaufgebot die neue Integrationsgesetzgebung als „unsere letzte Chance“ zu präsentieren.
Das von einer breiten Parlamentsmehrheit von den Sozialisten bis zu den Rechtspopulisten unterstützte Gesetz macht Zwangsumsiedlungen möglich, wenn Wohnviertel zwei von vier Kriterien erfüllen: Mehr als 40 Prozent Arbeitslose, über 60 Prozent der über 30-Jährigen haben nur Grundschulausbildung, ein durchschnittliches Bruttoeinkommen, das 55 Prozent niedriger als der regionale Durchschnitt ist, oder eine dreimal höhere Kriminalitätsrate als im landesweiten Schnitt.
Stigmatisierung von Vierteln
Als offizielle Überschrift für diese Politik griff man ausgerechnet auf den Begriff „Ghetto“ zurück, ein von den Nazis verwendeter Terminus für jüdische Wohngebiete und Sammellager, die Übergangsstationen vor dem Transport in Vernichtungslager waren.
Erst ab 2021 wurden aus den jährlich aktualisierten „Ghettolisten“ „Parallelgesellschaften“, „Transformationsgebiete“ und „gefährdete Wohngebiete“. Was an der Stigmatisierung natürlich nichts geändert habe, kommentiert Louise Holck, die Direktorin des Dänischen Menschenrechtsinstituts. Trotz Auswechseln des Etiketts habe man hier ein Gesetz, „aufgrund dessen Menschen ihre Wohnungen wegen ihrer ethnischen Herkunft verlieren können“. Das sei „menschenrechtswidrige Ungleichbehandlung, ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot“.
Das offizielle Ziel dieser Politik, Dänemark bis 2030 „frei von Ghettos“ zu machen, will man dadurch erreichen, dass in diesen vorwiegend in den 1970er Jahren erbauten Gebieten mit Sozialwohnungen ein zwangsweiser „Austausch“ von bis zu 60 Prozent der BewohnerInnen stattfinden soll. Neu in diese aktuell 17 „Transformationsgebiete“ und 67 „gefährdeten Wohngebiete“ dürfen nämlich dann nur noch Menschen mit dänischer oder „westlicher“ Staatsangehörigkeit einziehen.
Abriss und Neubau
Die Sozialwohnungen sollen zu einem großen Teil verschwinden, bis zu 40 Prozent in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, wodurch der städtische Wohnungsbau noch mehr dem Markt überlassen wird, kritisieren ArchitekturprofessorInnen. Kommunen können außerdem bestimmen, dass Häuser aus „strategischen Gründen“ ganz abgerissen werden können. KritikerInnen sprechen von einem umwelt- und klimapolitischen Skandal: Für eine diskriminierende Wohnungspolitik würden funktionstüchtige Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Sie verweisen auf Studien, wonach Abrisse und Neubauten bis zu 300-mal klimaschädlicher sind als Sanierungen.
„Unnötig schlampig und brutal“, nennt Steffen Boel Jørgensen, der Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens, das Gesetz: „So schlecht, dass es sich jeder Beschreibung entzieht.“ Man überlasse es einfach den Wohnungsunternehmen, dafür zu sorgen, dass die Hälfte der Menschen ihre Wohnungen räumen müssen. Für einige dieser Unternehmen wurde das ein Freibrief, um kurzerhand allen MieterInnen zu kündigen oder die vom Gesetz bis 2030 befristete Vorgabe schnellstmöglich zu erreichen, um mit Verkäufen, Luxusrenovierungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen ihre Gewinne zu maximieren. Weshalb von dieser Ghettogesetzgebung keineswegs nur die MieterInnen mit „nichtwestlicher“ Herkunft betroffen sind.
Wie das Ghettogesetz sie aus ihrer Wohnung geworfen hat, schilderte die 80-jährige Rentnerin Lisbeth Bjerregaard Saugmann vor einigen Monaten gegenüber Medien. Kündigung mit dreimonatiger Frist wegen Renovierung und – weil Dänin – theoretisch eine mögliche spätere Aussicht auf einen neuen Vertrag. Aber mit einer Miete, die sie mit ihrer kleinen Pension vermutlich nicht zahlen kann. Die Renovierung sei auch gleich rücksichtslos angegangen worden. Als Erstes habe man die Gemeinschaftsräume herausgerissen, sodass die Seniorengruppe, die sie seit elf Jahren mit anderen Älteren gebildet habe, „keinen Ort mehr für gemeinsame Veranstaltungen und Treffen hatte und nicht einmal mehr eine Weihnachtsfeier für die Kinder von Mjølnerparken veranstaltet werden konnte“.
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•NEUER BEITRAG14.12.2023, 13:45 Uhr
EDIT: arktika
14.12.2023, 13:47 Uhr
14.12.2023, 13:47 Uhr
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Eine „politische Machtdemonstration“
Natürlich gebe es in den Vierteln, die man nun Ghettos nenne, soziale Probleme, schildert die Rentnerin. Manche hätten es schwer, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Aber es gebe auch viel Gemeinschaftsleben, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft und sie selbst habe sich nie unsicher gefühlt. Das Ghettogesetz sei „ein Übergriff auf uns Bewohner, eine politische Machtdemonstration“. „Die Befürworter des Gesetzes hatten so unterirdische Argumente, wie dass es für Kinder gut sei, Erwachsene zu erleben, die Pausenbrote schmierten und zur Arbeit gehen. Als ob dies bei uns nicht der Fall wäre“, so die Rentnerin.
In Mjølnerparken und anderen „Ghettovierteln“ organisierte sich die Initiative „Almen Modstand“ (Dt. „Allgemeiner Widerstand“), gegen den „gesetzlich formalisierten Rassismus“, mit dem „Bürger aufgrund von Kategorien wie Bildung und Einkommensniveau sowie stereotypen Vorstellungen über ethnische Zugehörigkeit und Nationalität stigmatisiert werden“. Es fanden Protestaktionen statt, zuletzt im Mai. Es soll weitere geben.
Bau- und WohnforscherInnen wie Mette Mechlenborg von der Universität Aalborg bezeichnen die sogenannte Ghettogesetzgebung, „die für die einen Ausdruck der allgemeinen Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft ist, während andere das Gesamtziel begrüßen, eine gemischtere Bewohnerzusammensetzung zu schaffen“, als „größtes wohnsoziales Experiment in der dänischen Geschichte“. Zwar bemühe man sich seit Jahrzehnten, in bestehenden Wohngebieten gemischte Quartiere zu schaffen. Die Frage sei aber, ob sich mit einer Zwangsumgestaltung der physischen auch die soziale Realität ändern werde.
„Negativer Ruf“ der Viertel
„Die Beschreibungen der Wohngebiete in Form quantitativer Daten birgt die Gefahr, dass die Vielfalt der Wohngebiete aus dem Blickfeld gerät“, kritisiert sie. Deren negativer medialer Ruf entspreche oft gar nicht dem Alltagsleben, das die BewohnerInnen selbst empfinden. Begriffe wie Ghettos und Parallelgesellschaften trügen nur zu weiterer Stigmatisierung bei. Damit es gelinge, sozial gemischtere Wohnviertel zu schaffen, wäre es viel wichtiger, „an der Reputation der exponierten Wohngebiete zu arbeiten“. Völlig ungeklärt sei auch, wie sich die Lebenssituation der BewohnerInnen gestalten werde, die man einfach umsiedle.
Ohne ein Konzept für diese zwangsumgesiedelten Menschen zu haben, könne ein solches Programm der Segregation nicht entgegenwirken, meint Emma Holmqvist, Forscherin für Kulturgeografie an der Universität Uppsala. Was auch Erfahrungen beispielsweise in Chicago und London bewiesen hätten. Mit der Zeit werde es dann einfach eine neue und womöglich noch größere Konzentration marginalisierter Gruppen in Gebieten mit billigen Mietwohnungen geben.
Für Lamies Nassri, Projektleiterin am Ceda, dem „Zentrum für die Rechte der Muslime in Dänemark“, ist die unter anderem von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri), dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) und der UN-Konvention gegen Rassendiskriminierung (Cerd) kritisierte Ghettogesetzgebung, „die 155 verschiedene Kulturen in die Kategorie ‚nichtwestliche Einwanderer und Nachkommen‘ steckt, als Gegensatz zur ‚dänischen Kultur‘ definiert und ihnen deshalb den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum beschränkt“, nur Teil einer Serie von rassistischen Maßnahmen, mit denen Kopenhagen vor allem eine Botschaft verbinde: „Ihr sollt weg.“
Klagen gegen das Gesetz
Bei Dänemarks Oberstem Gericht sind mehrere Klagen anhängig. Das Gericht wartet auf die Grundsatzentscheidung des EU-Gerichtshofs in einem Verfahren gegen das Königreich Dänemark wegen gesetzwidriger Diskriminierung „nichtwestlicher“ BürgerInnen. Nassri hofft auf einen Ausgang, der dazu führt, „dass Dänemark wieder ein Land wird, in dem alle vor dem Gesetz gleich sind und das Gesetz für alle gleich ist“.
„Und warum liegt der Fokus eigentlich nur darauf, die sogenannten Ghettos in die Gesellschaft zu integrieren?“, fragt Forscherin Mechlenborg aus Aalborg. „Wenn unser Ziel gemischtere Wohngebiete sind, können wir genauso gut fordern, dass die Reichenghettos sich integrieren und wir dort eine gemischtere Zusammensetzung der Bevölkerung bekommen.“
'https://taz.de/Experiment-in-Daenemark/!5974002/'
#Daenemark
#Ghetto
#Ghettoisierung
#EntGhettoisierung
#MigrantInnen
#Zwangsumsiedlungen
#Rassismus
#RentnerInnen
Eine „politische Machtdemonstration“
Natürlich gebe es in den Vierteln, die man nun Ghettos nenne, soziale Probleme, schildert die Rentnerin. Manche hätten es schwer, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Aber es gebe auch viel Gemeinschaftsleben, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft und sie selbst habe sich nie unsicher gefühlt. Das Ghettogesetz sei „ein Übergriff auf uns Bewohner, eine politische Machtdemonstration“. „Die Befürworter des Gesetzes hatten so unterirdische Argumente, wie dass es für Kinder gut sei, Erwachsene zu erleben, die Pausenbrote schmierten und zur Arbeit gehen. Als ob dies bei uns nicht der Fall wäre“, so die Rentnerin.
In Mjølnerparken und anderen „Ghettovierteln“ organisierte sich die Initiative „Almen Modstand“ (Dt. „Allgemeiner Widerstand“), gegen den „gesetzlich formalisierten Rassismus“, mit dem „Bürger aufgrund von Kategorien wie Bildung und Einkommensniveau sowie stereotypen Vorstellungen über ethnische Zugehörigkeit und Nationalität stigmatisiert werden“. Es fanden Protestaktionen statt, zuletzt im Mai. Es soll weitere geben.
Bau- und WohnforscherInnen wie Mette Mechlenborg von der Universität Aalborg bezeichnen die sogenannte Ghettogesetzgebung, „die für die einen Ausdruck der allgemeinen Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft ist, während andere das Gesamtziel begrüßen, eine gemischtere Bewohnerzusammensetzung zu schaffen“, als „größtes wohnsoziales Experiment in der dänischen Geschichte“. Zwar bemühe man sich seit Jahrzehnten, in bestehenden Wohngebieten gemischte Quartiere zu schaffen. Die Frage sei aber, ob sich mit einer Zwangsumgestaltung der physischen auch die soziale Realität ändern werde.
„Negativer Ruf“ der Viertel
„Die Beschreibungen der Wohngebiete in Form quantitativer Daten birgt die Gefahr, dass die Vielfalt der Wohngebiete aus dem Blickfeld gerät“, kritisiert sie. Deren negativer medialer Ruf entspreche oft gar nicht dem Alltagsleben, das die BewohnerInnen selbst empfinden. Begriffe wie Ghettos und Parallelgesellschaften trügen nur zu weiterer Stigmatisierung bei. Damit es gelinge, sozial gemischtere Wohnviertel zu schaffen, wäre es viel wichtiger, „an der Reputation der exponierten Wohngebiete zu arbeiten“. Völlig ungeklärt sei auch, wie sich die Lebenssituation der BewohnerInnen gestalten werde, die man einfach umsiedle.
Ohne ein Konzept für diese zwangsumgesiedelten Menschen zu haben, könne ein solches Programm der Segregation nicht entgegenwirken, meint Emma Holmqvist, Forscherin für Kulturgeografie an der Universität Uppsala. Was auch Erfahrungen beispielsweise in Chicago und London bewiesen hätten. Mit der Zeit werde es dann einfach eine neue und womöglich noch größere Konzentration marginalisierter Gruppen in Gebieten mit billigen Mietwohnungen geben.
Für Lamies Nassri, Projektleiterin am Ceda, dem „Zentrum für die Rechte der Muslime in Dänemark“, ist die unter anderem von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri), dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) und der UN-Konvention gegen Rassendiskriminierung (Cerd) kritisierte Ghettogesetzgebung, „die 155 verschiedene Kulturen in die Kategorie ‚nichtwestliche Einwanderer und Nachkommen‘ steckt, als Gegensatz zur ‚dänischen Kultur‘ definiert und ihnen deshalb den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum beschränkt“, nur Teil einer Serie von rassistischen Maßnahmen, mit denen Kopenhagen vor allem eine Botschaft verbinde: „Ihr sollt weg.“
Klagen gegen das Gesetz
Bei Dänemarks Oberstem Gericht sind mehrere Klagen anhängig. Das Gericht wartet auf die Grundsatzentscheidung des EU-Gerichtshofs in einem Verfahren gegen das Königreich Dänemark wegen gesetzwidriger Diskriminierung „nichtwestlicher“ BürgerInnen. Nassri hofft auf einen Ausgang, der dazu führt, „dass Dänemark wieder ein Land wird, in dem alle vor dem Gesetz gleich sind und das Gesetz für alle gleich ist“.
„Und warum liegt der Fokus eigentlich nur darauf, die sogenannten Ghettos in die Gesellschaft zu integrieren?“, fragt Forscherin Mechlenborg aus Aalborg. „Wenn unser Ziel gemischtere Wohngebiete sind, können wir genauso gut fordern, dass die Reichenghettos sich integrieren und wir dort eine gemischtere Zusammensetzung der Bevölkerung bekommen.“
'https://taz.de/Experiment-in-Daenemark/!5974002/'
#Daenemark
#Ghetto
#Ghettoisierung
#EntGhettoisierung
#MigrantInnen
#Zwangsumsiedlungen
#Rassismus
#RentnerInnen
•NEUER BEITRAG14.12.2023, 14:09 Uhr
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Dänemark - Nix "hygge" für arme Menschen
"2018 hatte die konservative dänische Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen einen „Ghettoplan“ beschlossen. Eine Spezialgesetzgebung für Wohngebiete mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 50 Prozent „nicht-westlicher Einwanderer und ihrer Nachkommen“. "
Diese Spezialgesetzgebung gegen unerwünschte MitbewohnerInnen des Kuschelstaates Dänemark beinhaltet noch erheblich mehr als nur das Vertreiben zumindest eines Teils der Bevölkerung nach Nirgendwo, sondern enthält noch weitere Leckerlis für FaschistInnen u. Co; ob und in welchem Maße sie alle umgesetzt worden sind/werden, weiß ich leider nicht, befürchte allerdings Schlimmes ... und der Katalog der Grausamkeiten ist lang und geht bis zu Kindergeldkürzungen und Auflösung von Schulen.
„Ghettoplan“ der dänischen Regierung:
Falsches Viertel? Weniger Rechte
Dänemarks Regierung plant ein Spezialrecht für Orte, wo viele „nicht-westliche“ Einwanderer leben. Dort sollen doppelte Strafen verhängt werden.
Du wohnst in einem Viertel mit einem hohen Anteil von Menschen ausländischer Herkunft? Pech gehabt. Für dich wird in Zukunft spezielles Recht gelten. Solltest du beispielsweise einen Diebstahl oder ein Drogendelikt begehen, wird kurzerhand eine doppelt so hohe Strafe verhängt werden wie für den Rest der Bevölkerung. Unvorstellbar? Nicht in Dänemark.
Am Donnerstag stellte die Regierung in Kopenhagen ihren „Ghettoplan“ vor, mit dessen Hilfe Dänemark bis 2030 frei von „Ghettos“ werden soll. So nennt die Regierung Wohngebiete, in denen es einen Anteil „nicht-westlicher Einwanderer“ von über 50 Prozent oder eine Arbeitslosenrate von über 40 Prozent gibt. 25 „Ghettogebiete“, in denen über 60.000 Menschen leben, umfasst die aktuelle Liste.
Mit 22 Initiativen will die rechtsliberale Regierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen jetzt ein „Dänemark ohne Parallelgesellschaften“ errichten. Der Katalog umfasst unter anderem einen obligatorischen Kindergartenbesuch ab dem erstem Geburtstag. Eltern, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann das Kindergeld gekürzt werden. Das droht ihnen auch für den Fall, dass ihr schulpflichtiges Kind Fehlzeiten von über 15 Prozent hat oder Prüfungen schwänzt.
Auch die Kontrolle der Schulen selbst will die Regierung verschärfen. Schulen, die die Anwesenheit ihrer SchülerInnen nicht rigoros überwachen oder die über einen längeren Zeitraum schlechte Resultate liefern, sollen aufgelöst werden können. Gymnasien mit einem mehr als 20-prozentigem Anteil von SchülerInnen ausländischer Herkunft können eine Umverteilung von SchülerInnen zu anderen Gymnasien verlangen, bei einem mehr als 50-prozentigem Anteil wird diese Umverteilung Pflicht.
„Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“
Das konnte nicht ohne Gegenrede bleiben: Auch wenn einzelne Punkte durchaus diskutiert werden könnten, stelle der Plan in seiner Gesamtheit eine „Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“ dar, erklärte beispielsweise die Sozialarbeitergewerkschaft „Socialrådgiverforening“. Die Ankündigung, ganze Gebäudekomplexe abreißen zu wollen, kritisiert Hans Skifter Andersen, Professor am Bauforschungsinstitut der Universität Aalborg, als bloße Symbolpolitik: „Damit werden die Probleme nur verlagert.“
Auf breite Ablehnung stieß der Vorschlag „spezieller Strafzonen“, wo gegen dort wohnende Straftäter „grundsätzlich verdoppelte Strafen“ verhängt oder Ausnahmen vom gesetzlichen Mieterschutz möglich sein sollen. Sie sollen dann nicht nur für die jeweiligen Täter gelten, sondern auch für deren gesamte Familie. Solche Ungleich- und Sonderbehandlung sei mit fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar, rügt die Kopenhagener Sozialrechtsprofessorin Kirsten Ketscher: „Das wäre ein Verstoß gegen dänisches Recht, die Menschenrechtskonvention und die UN-Konvention gegen Rassendiskriminierung“.
Neben seiner eigenen Minderheitsregierung braucht Løkke Rasmussen für die Umsetzung seines Programms die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei und der Sozialdemokraten. Deren rechtspolitische Sprecherin Trine Bramsen bezeichnet die Einrichtung spezieller Strafzonen jedenfalls schon mal als „vernünftigen Gedanken“.
Ebenfalls von Reinhard Wolff, vom 1. März 2018, also dem Jahr des Beschlusses, unter
Link ...jetzt anmelden!!5488604/
Diese Spezialgesetzgebung gegen unerwünschte MitbewohnerInnen des Kuschelstaates Dänemark beinhaltet noch erheblich mehr als nur das Vertreiben zumindest eines Teils der Bevölkerung nach Nirgendwo, sondern enthält noch weitere Leckerlis für FaschistInnen u. Co; ob und in welchem Maße sie alle umgesetzt worden sind/werden, weiß ich leider nicht, befürchte allerdings Schlimmes ... und der Katalog der Grausamkeiten ist lang und geht bis zu Kindergeldkürzungen und Auflösung von Schulen.
„Ghettoplan“ der dänischen Regierung:
Falsches Viertel? Weniger Rechte
Dänemarks Regierung plant ein Spezialrecht für Orte, wo viele „nicht-westliche“ Einwanderer leben. Dort sollen doppelte Strafen verhängt werden.
Du wohnst in einem Viertel mit einem hohen Anteil von Menschen ausländischer Herkunft? Pech gehabt. Für dich wird in Zukunft spezielles Recht gelten. Solltest du beispielsweise einen Diebstahl oder ein Drogendelikt begehen, wird kurzerhand eine doppelt so hohe Strafe verhängt werden wie für den Rest der Bevölkerung. Unvorstellbar? Nicht in Dänemark.
Am Donnerstag stellte die Regierung in Kopenhagen ihren „Ghettoplan“ vor, mit dessen Hilfe Dänemark bis 2030 frei von „Ghettos“ werden soll. So nennt die Regierung Wohngebiete, in denen es einen Anteil „nicht-westlicher Einwanderer“ von über 50 Prozent oder eine Arbeitslosenrate von über 40 Prozent gibt. 25 „Ghettogebiete“, in denen über 60.000 Menschen leben, umfasst die aktuelle Liste.
Mit 22 Initiativen will die rechtsliberale Regierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen jetzt ein „Dänemark ohne Parallelgesellschaften“ errichten. Der Katalog umfasst unter anderem einen obligatorischen Kindergartenbesuch ab dem erstem Geburtstag. Eltern, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann das Kindergeld gekürzt werden. Das droht ihnen auch für den Fall, dass ihr schulpflichtiges Kind Fehlzeiten von über 15 Prozent hat oder Prüfungen schwänzt.
Auch die Kontrolle der Schulen selbst will die Regierung verschärfen. Schulen, die die Anwesenheit ihrer SchülerInnen nicht rigoros überwachen oder die über einen längeren Zeitraum schlechte Resultate liefern, sollen aufgelöst werden können. Gymnasien mit einem mehr als 20-prozentigem Anteil von SchülerInnen ausländischer Herkunft können eine Umverteilung von SchülerInnen zu anderen Gymnasien verlangen, bei einem mehr als 50-prozentigem Anteil wird diese Umverteilung Pflicht.
„Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“
Das konnte nicht ohne Gegenrede bleiben: Auch wenn einzelne Punkte durchaus diskutiert werden könnten, stelle der Plan in seiner Gesamtheit eine „Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“ dar, erklärte beispielsweise die Sozialarbeitergewerkschaft „Socialrådgiverforening“. Die Ankündigung, ganze Gebäudekomplexe abreißen zu wollen, kritisiert Hans Skifter Andersen, Professor am Bauforschungsinstitut der Universität Aalborg, als bloße Symbolpolitik: „Damit werden die Probleme nur verlagert.“
Auf breite Ablehnung stieß der Vorschlag „spezieller Strafzonen“, wo gegen dort wohnende Straftäter „grundsätzlich verdoppelte Strafen“ verhängt oder Ausnahmen vom gesetzlichen Mieterschutz möglich sein sollen. Sie sollen dann nicht nur für die jeweiligen Täter gelten, sondern auch für deren gesamte Familie. Solche Ungleich- und Sonderbehandlung sei mit fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar, rügt die Kopenhagener Sozialrechtsprofessorin Kirsten Ketscher: „Das wäre ein Verstoß gegen dänisches Recht, die Menschenrechtskonvention und die UN-Konvention gegen Rassendiskriminierung“.
Neben seiner eigenen Minderheitsregierung braucht Løkke Rasmussen für die Umsetzung seines Programms die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei und der Sozialdemokraten. Deren rechtspolitische Sprecherin Trine Bramsen bezeichnet die Einrichtung spezieller Strafzonen jedenfalls schon mal als „vernünftigen Gedanken“.
Ebenfalls von Reinhard Wolff, vom 1. März 2018, also dem Jahr des Beschlusses, unter
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•NEUER BEITRAG14.07.2024, 11:09 Uhr
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Dänemark - Nix "hygge" für arme Menschen
Das Gesetz ist mittlerweile schon beim Europäischen Gerichtshof gelandet - und der erste Termin auch schon verschoben worden, möglicherweise wg. des Todes eines der dafür vorgesehenen RichterInnen.
Zu diesem Gesetz, seinen Auswirkungen und dem Kampf gegen diese Terrormaßnahmen ein Artikel - schon vom 2. Juli - von Florian Naumann in der HNA:
„Nicht-westliche“ Menschen im Visier: Dänemarks „Ghetto-Paket“ harrt seinem Urteil – Termin platzt
Dänemarks harte Migrationspolitik fordert Opfer: Das „Ghetto-Paket“ verursacht Zwangsumsiedlungen. Ein Urteil der Gerichte lässt wohl auf sich warten.
Kopenhagen/Luxemburg – Ein großer Tag hätte der Montag (1. Juli) für Klägerin Majken Felle und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden sollen – und für Dänemarks Regierung sowie mutmaßlich einige Amtskollegen in der EU ein Fingerzeig. Die Überprüfung des dänischen „Ghetto-Paket“ war für eine erste Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgesehen. Doch es kam anders: „Ghettopakken“, so der in Dänemark geläufige Name, wird mindestens eine verlängerte Gnadenfrist erhalten. Die Anhörung soll nach aktuellem Plan doch erst am 30. September stattfinden. Über die Gründe herrscht Rätselraten.
„Ghetto-Paket“ in Dänemark: Ist das rechtens? Gerichtsanhörung am EuGH verschoben
Der Presseservice des EuGH konnte auf Anfrage von IPPEN.MEDIA zunächst keine Erklärung geben. Mitklägerin Felle und Co. sind indes durch eigene Recherchen zu einer These gekommen: Der slowenische EuGH-Richter Marko Ilešič ist verstorben – er sollte auch der Jury im Fall „Ghetto-Paket“ angehören. Wohl deshalb dauert es jetzt noch länger. Seit vier Jahren beschäftigt das Gesetz die Gerichte, zunächst in Dänemark, seit rund einem Jahr den EuGH.
Das Verfahren hat potenziell große Bedeutung. Dänemarks restriktive Migrationspolitik gilt mancherorts als Vorbild. Und das Gesetz hat seit Jahren immer wieder Schlagzeilen quer durch die EU gemacht. Es soll „Parallelgesellschaften“ beseitigen, so der offizielle Plan. Ein Mittel sind erzwungene Umsiedlungen durch Privatisierung oder Abriss: In der Kopenhagener Wohnanlage Mjölnerparken, aus der die zehn Klagenden stammen, wurde rund die Hälfte der einstmals mehr als 500 Wohnungen verkauft – zuvor waren sie zu sozialen Konditionen vermietet. In der Folgen wichen viele einstige Bewohnerinnen und Bewohner.
Angestoßen hatte das Gesetz 2018 die damalige liberal-konservative Regierung von Lars Løkke Rasmussen. Das „Dänentum“ sei in Gefahr, warnte er. Aber auch Rasmussens sozialdemokratische Nachfolgerin Mette Frederiksen hat am Paket festgehalten. Nur das Wort „Ghetto“ eliminierte die linke(re) Regierung. Von Transformations- oder „gefährdeten“ Gebieten ist jetzt die Rede.
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Dänemarks Ghetto-Paket – und die Lage der Klägerinnen und Kläger in Mjölnerparken
Das Gesetz aus dem Jahr 2018 benannte sechs Kriterien für „Ghettos“ mit mindestens 1000 Bewohnern – der wichtigste: Mehr als 50 Prozent der dort Lebenden sind „Einwanderer oder Nachkommen aus nicht-westlichen Ländern“. Greifen zwei weitere Kriterien, kommt das Wohngebiet auf die „Ghettoliste“: Bei diesen geht es um den Anteil an Arbeitslosen, Vorbestraften, Menschen mit geringerem Niveau an Bildungsabschlüssen und das durchschnittliche Bruttoeinkommen. Dabei gab es Streit über die Kriterien: Der Bildungsstand wurde etwa erst bei Menschen ab dem Alter von 30 Jahren erfasst. Auch härtere Strafregeln in „Ghettos“ gehören zum Paket.
Schon vor 2018 gab es „Ghettolisten“, seit 2010 befand sich Mjölnerparken darauf. Ab 2018 betrafen die Maßnahmen Mjölnerparken massiv. Die Lage ist allerdings etwas unübersichtlich: Schon zuvor hatten die Bewohner einer Renovierung zugestimmt. Dann wurden kraft des Gesetzes zwei der Blocks verkauft, Sozialwohnungen sollen verringert und dabei de facto angesichts höherer Mieten Bewohnerinnen und Bewohner ausgetauscht werden. Beide Maßnahmen fanden und finden gleichzeitig statt. Teils mussten Menschen für Renovierungen, teils dauerhaft ihre Wohnungen verlassen.
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Für die Klagenden ist die Hängepartie schmerzlich – und weiterer Aufwand. Zusammen mit Betroffenen und Aktivisten hatten sie schon die Reise nach Luxemburg geplant. Aber vor allem bleibt mit dem Verfahren eine große Frage in der Schwebe: Darf eine Regierung Menschen unter Verweis auf statistische Parameter und ihre Herkunft aus ihren Wohnungen treiben? In Mjölnerparken wird die Antwort sehnlichst erwartet. Felle, die als Lehrerin arbeitet, betont: „Wir hoffen, dass die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird.“
Dänemark will „Parallelgesellschaften“ bekämpfen – doch zu welchem Preis?
Denn aus Sicht Betroffener ist das Gesetz vor allem ein Paket der Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Mjölnerparken traf das „Ghetto-Paket“ auch, weil dort ein umstrittenes Kernkriterium erfüllt war: Es lebten zu viele „nicht-westliche“ Menschen in den vier Wohnblocks.
Felle selbst hat einem Umzug in ein kleineres Apartment zugestimmt, um weiterhin in Mjölnerparken wohnen zu können. Ihr zufolge sorgt der Fall für Unglaube, sogar unter ihren Lehrerkollegen. Oft werde bezweifelt, dass so ein Rechtsakt möglich ist. „Ich sage dann: ‚Doch! Wollt ihr meinen Räumungsbescheid sehen?‘“ Dabei, meint Felle, sei sie als „ethnische Dänin“ unter den Bewohnern Mjölnerparkens gar nicht das eigentliche Ziel des Gesetzes. Unter vielen ihrer Nachbarn gebe es aber ein starkes Gefühl, willkürlich ins Fadenkreuz geraten zu sein. „Nachbarn sagen: ‚Ich habe 30 Jahre lang meine Miete bezahlt, ich habe nie ein Verbrechen begangen, warum räumen sie mich jetzt?‘“
Viele Freunde und Nachbarn – gerade der zweiten Einwanderer-Generation – seien an weiterführenden Schulen, hätten gute Noten, bereiteten sich darauf vor, als Zahnärzte oder Juristen zu arbeiten. „Ich glaube nicht, dass ich mir vorstellen kann, wie sich das anfühlt“, sagt Felle. „Zum Beispiel für jemanden, der in Dänemark geboren ist; dänischer Bürger, dänischer Pass, in Arbeit, Steuerzahler. Es muss für so jemanden so seltsam sein, als Belastung für die Gesellschaft Gegenstand der Debatte zu sein.“
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Zu diesem Gesetz, seinen Auswirkungen und dem Kampf gegen diese Terrormaßnahmen ein Artikel - schon vom 2. Juli - von Florian Naumann in der HNA:
„Nicht-westliche“ Menschen im Visier: Dänemarks „Ghetto-Paket“ harrt seinem Urteil – Termin platzt
Dänemarks harte Migrationspolitik fordert Opfer: Das „Ghetto-Paket“ verursacht Zwangsumsiedlungen. Ein Urteil der Gerichte lässt wohl auf sich warten.
Kopenhagen/Luxemburg – Ein großer Tag hätte der Montag (1. Juli) für Klägerin Majken Felle und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden sollen – und für Dänemarks Regierung sowie mutmaßlich einige Amtskollegen in der EU ein Fingerzeig. Die Überprüfung des dänischen „Ghetto-Paket“ war für eine erste Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgesehen. Doch es kam anders: „Ghettopakken“, so der in Dänemark geläufige Name, wird mindestens eine verlängerte Gnadenfrist erhalten. Die Anhörung soll nach aktuellem Plan doch erst am 30. September stattfinden. Über die Gründe herrscht Rätselraten.
„Ghetto-Paket“ in Dänemark: Ist das rechtens? Gerichtsanhörung am EuGH verschoben
Der Presseservice des EuGH konnte auf Anfrage von IPPEN.MEDIA zunächst keine Erklärung geben. Mitklägerin Felle und Co. sind indes durch eigene Recherchen zu einer These gekommen: Der slowenische EuGH-Richter Marko Ilešič ist verstorben – er sollte auch der Jury im Fall „Ghetto-Paket“ angehören. Wohl deshalb dauert es jetzt noch länger. Seit vier Jahren beschäftigt das Gesetz die Gerichte, zunächst in Dänemark, seit rund einem Jahr den EuGH.
Das Verfahren hat potenziell große Bedeutung. Dänemarks restriktive Migrationspolitik gilt mancherorts als Vorbild. Und das Gesetz hat seit Jahren immer wieder Schlagzeilen quer durch die EU gemacht. Es soll „Parallelgesellschaften“ beseitigen, so der offizielle Plan. Ein Mittel sind erzwungene Umsiedlungen durch Privatisierung oder Abriss: In der Kopenhagener Wohnanlage Mjölnerparken, aus der die zehn Klagenden stammen, wurde rund die Hälfte der einstmals mehr als 500 Wohnungen verkauft – zuvor waren sie zu sozialen Konditionen vermietet. In der Folgen wichen viele einstige Bewohnerinnen und Bewohner.
Angestoßen hatte das Gesetz 2018 die damalige liberal-konservative Regierung von Lars Løkke Rasmussen. Das „Dänentum“ sei in Gefahr, warnte er. Aber auch Rasmussens sozialdemokratische Nachfolgerin Mette Frederiksen hat am Paket festgehalten. Nur das Wort „Ghetto“ eliminierte die linke(re) Regierung. Von Transformations- oder „gefährdeten“ Gebieten ist jetzt die Rede.
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Dänemarks Ghetto-Paket – und die Lage der Klägerinnen und Kläger in Mjölnerparken
Das Gesetz aus dem Jahr 2018 benannte sechs Kriterien für „Ghettos“ mit mindestens 1000 Bewohnern – der wichtigste: Mehr als 50 Prozent der dort Lebenden sind „Einwanderer oder Nachkommen aus nicht-westlichen Ländern“. Greifen zwei weitere Kriterien, kommt das Wohngebiet auf die „Ghettoliste“: Bei diesen geht es um den Anteil an Arbeitslosen, Vorbestraften, Menschen mit geringerem Niveau an Bildungsabschlüssen und das durchschnittliche Bruttoeinkommen. Dabei gab es Streit über die Kriterien: Der Bildungsstand wurde etwa erst bei Menschen ab dem Alter von 30 Jahren erfasst. Auch härtere Strafregeln in „Ghettos“ gehören zum Paket.
Schon vor 2018 gab es „Ghettolisten“, seit 2010 befand sich Mjölnerparken darauf. Ab 2018 betrafen die Maßnahmen Mjölnerparken massiv. Die Lage ist allerdings etwas unübersichtlich: Schon zuvor hatten die Bewohner einer Renovierung zugestimmt. Dann wurden kraft des Gesetzes zwei der Blocks verkauft, Sozialwohnungen sollen verringert und dabei de facto angesichts höherer Mieten Bewohnerinnen und Bewohner ausgetauscht werden. Beide Maßnahmen fanden und finden gleichzeitig statt. Teils mussten Menschen für Renovierungen, teils dauerhaft ihre Wohnungen verlassen.
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Für die Klagenden ist die Hängepartie schmerzlich – und weiterer Aufwand. Zusammen mit Betroffenen und Aktivisten hatten sie schon die Reise nach Luxemburg geplant. Aber vor allem bleibt mit dem Verfahren eine große Frage in der Schwebe: Darf eine Regierung Menschen unter Verweis auf statistische Parameter und ihre Herkunft aus ihren Wohnungen treiben? In Mjölnerparken wird die Antwort sehnlichst erwartet. Felle, die als Lehrerin arbeitet, betont: „Wir hoffen, dass die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird.“
Dänemark will „Parallelgesellschaften“ bekämpfen – doch zu welchem Preis?
Denn aus Sicht Betroffener ist das Gesetz vor allem ein Paket der Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Mjölnerparken traf das „Ghetto-Paket“ auch, weil dort ein umstrittenes Kernkriterium erfüllt war: Es lebten zu viele „nicht-westliche“ Menschen in den vier Wohnblocks.
Felle selbst hat einem Umzug in ein kleineres Apartment zugestimmt, um weiterhin in Mjölnerparken wohnen zu können. Ihr zufolge sorgt der Fall für Unglaube, sogar unter ihren Lehrerkollegen. Oft werde bezweifelt, dass so ein Rechtsakt möglich ist. „Ich sage dann: ‚Doch! Wollt ihr meinen Räumungsbescheid sehen?‘“ Dabei, meint Felle, sei sie als „ethnische Dänin“ unter den Bewohnern Mjölnerparkens gar nicht das eigentliche Ziel des Gesetzes. Unter vielen ihrer Nachbarn gebe es aber ein starkes Gefühl, willkürlich ins Fadenkreuz geraten zu sein. „Nachbarn sagen: ‚Ich habe 30 Jahre lang meine Miete bezahlt, ich habe nie ein Verbrechen begangen, warum räumen sie mich jetzt?‘“
Viele Freunde und Nachbarn – gerade der zweiten Einwanderer-Generation – seien an weiterführenden Schulen, hätten gute Noten, bereiteten sich darauf vor, als Zahnärzte oder Juristen zu arbeiten. „Ich glaube nicht, dass ich mir vorstellen kann, wie sich das anfühlt“, sagt Felle. „Zum Beispiel für jemanden, der in Dänemark geboren ist; dänischer Bürger, dänischer Pass, in Arbeit, Steuerzahler. Es muss für so jemanden so seltsam sein, als Belastung für die Gesellschaft Gegenstand der Debatte zu sein.“
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•NEUER BEITRAG14.07.2024, 11:30 Uhr
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Ein Kopenhagener Viertel als Symbol
Mjölnerparken mitten im teils durchaus hippen Stadtteil Nørrebro nahe der Innenstadt von Kopenhagen hat wohl auch Symbolfunktion. Hier stellte Løkke Rasmussen 2018 seine Pläne vor. Im Jahr 2015 verübte ein 22-jähriger Däne mit palästinensischen Wurzeln einen Anschlag mit einer Schusswaffe in Kopenhagen. Der Mann war in Mjölnerparken aufgewachsen – hatte aber zwischenzeitlich auch in Jordanien gelebt, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Und 2017 starben Menschen bei einer Schießerei im Tagensvej nahe Mjölnerparken – Anlass waren wohl Banden-Streitigkeiten. Das färbte auf das Image des Gebiets ab.
Felle bestreitet gleichwohl vehement, dass es in dem Quartier eine „Parallelgesellschaft“ gab oder gibt. Friedlich und grün sei das Quartier bei ihrem Einzug im Jahr 2014 gewesen. „Ich bin von meinen Nachbarn sehr gut aufgenommen worden, es ist eine Umgebung der Offenheit und Akzeptanz“, sagt sie.
„Parallelgesellschaft“ in Dänemark? Klägerin wundert sich – Politik könne auch „Erfolg“ feiern
Ein übliches, aber falsches Narrativ der Politik sei etwa jenes von Frauen, die „in der Küche festgehalten“ würden, statt zu arbeiten. Die Frauen in ihrem früheren Treppenaufgang mit Familien aus Somalia, Palästina oder Marokko hätten aber als zahnärztliche Assistentin, als Sekretärin, als Putzkraft gearbeitet. „Und das war die erste zugewanderte Generation“, betont Felle. Deren Kinder seien ohnehin integriert: „Wenn sie auf dem Spielplatz spielen, sprechen sie Dänisch.“ Statistiken zeigten, dass die zweite Einwanderer-Generation den größten Bildungssprung im Vergleich zu ihren Eltern mache. Dennoch hätte Familien mit Schulkindern umziehen müssen, die Kinder aufgrund der Entfernung die Schule wechseln.
Felle wundert sich über das Vorgehen der dänischen Politik. „Sie könnten sagen: ‚Hey, wir haben in Dänemark Erfolg, schaut euch das an, wir haben eine offene Gesellschaft, wir haben eine erste Generation von Immigranten, die aus weit entfernten Ländern nach Dänemark kommen, und die zweite Generation besucht höhere Bildungseinrichtungen, sie bezahlt Steuern – weil wir so eine nachhaltige Wohlfahrtsgesellschaft haben‘“. Denn das sei, was sie erlebe: Sie habe mit den Nachbarn „viel gemeinsam“. Das zähle mehr als „oberflächliche Unterschiede etwa bei der Religion“.
Dänemarks „Ghetto-Paket“ vor Gericht: „Ein Richterspruch würde uns alles bedeuten“
Ein Schlüsselfaktor im EuGH-Verfahren, wenn es dann im September startet, könnte das Gesetzeskriterium der „nicht-westlichen“ Herkunft werden. Susheela Math von der Open Society Justice Initiative sieht in diesem Passus eine „Ersatzformulierung für Rasse oder ethnische Herkunft“. Dafür könnte es tatsächlich Indizien geben: Neuseeland und Australien etwa zählen in „Gettopakken“ als „westliche Länder“, wie das dänische Innenministerium 2018 erklärte – trotz ihrer geografischen Lage. Die Juristin Math sieht das „Grundrecht auf Gleichbehandlung“ in Gefahr.
Für Felle hat der Fall eine große emotionale und symbolische Bedeutung: „Es würde uns immer noch viel oder sogar alles bedeuten, einen Richterspruch zu haben, der sagt: ‚Ihr wurdet unrechtmäßig behandelt.‘ Denn das ist, was ich fühle, und ich denke wirklich, dass das laut ausgesprochen werden muss.“ Felle hofft, dass „diese Art Gesetzgebung in Dänemark, und natürlich auch in der EU, verboten wird“.
Bewohnerinnen und Bewohner haben dem Viertel bereits den Rücken gekehrt – aus Zwang, Fatalismus oder Sorge vor einem Hin und Her, berichtet Felle. Aber es gebe weiterhin gute Kontakte, der gemeinsame Kampf habe auch zusammengeschweißt. Noch eins ist der Klägerin wichtig: Manchmal porträtierten die Medien die Menschen in Mjölnerparken als „Opfer“ des „Ghetto-Pakets“. „Natürlich sind wir Opfer des Gesetzes“, sagt Felle, „aber wir weigern uns, als Opfer behandelt zu werden. Wir kämpfen. Und wir nehmen unsere Rechte in Anspruch.“ Nun aber ist zunächst noch mehr Warten angesagt. Ein Urteil war schon vor der Anhörungs-Verschiebung frühestens für Ende 2024 oder 2025 erwartet worden. (fn)
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#EuGH
Ein Kopenhagener Viertel als Symbol
Mjölnerparken mitten im teils durchaus hippen Stadtteil Nørrebro nahe der Innenstadt von Kopenhagen hat wohl auch Symbolfunktion. Hier stellte Løkke Rasmussen 2018 seine Pläne vor. Im Jahr 2015 verübte ein 22-jähriger Däne mit palästinensischen Wurzeln einen Anschlag mit einer Schusswaffe in Kopenhagen. Der Mann war in Mjölnerparken aufgewachsen – hatte aber zwischenzeitlich auch in Jordanien gelebt, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Und 2017 starben Menschen bei einer Schießerei im Tagensvej nahe Mjölnerparken – Anlass waren wohl Banden-Streitigkeiten. Das färbte auf das Image des Gebiets ab.
Felle bestreitet gleichwohl vehement, dass es in dem Quartier eine „Parallelgesellschaft“ gab oder gibt. Friedlich und grün sei das Quartier bei ihrem Einzug im Jahr 2014 gewesen. „Ich bin von meinen Nachbarn sehr gut aufgenommen worden, es ist eine Umgebung der Offenheit und Akzeptanz“, sagt sie.
„Parallelgesellschaft“ in Dänemark? Klägerin wundert sich – Politik könne auch „Erfolg“ feiern
Ein übliches, aber falsches Narrativ der Politik sei etwa jenes von Frauen, die „in der Küche festgehalten“ würden, statt zu arbeiten. Die Frauen in ihrem früheren Treppenaufgang mit Familien aus Somalia, Palästina oder Marokko hätten aber als zahnärztliche Assistentin, als Sekretärin, als Putzkraft gearbeitet. „Und das war die erste zugewanderte Generation“, betont Felle. Deren Kinder seien ohnehin integriert: „Wenn sie auf dem Spielplatz spielen, sprechen sie Dänisch.“ Statistiken zeigten, dass die zweite Einwanderer-Generation den größten Bildungssprung im Vergleich zu ihren Eltern mache. Dennoch hätte Familien mit Schulkindern umziehen müssen, die Kinder aufgrund der Entfernung die Schule wechseln.
Felle wundert sich über das Vorgehen der dänischen Politik. „Sie könnten sagen: ‚Hey, wir haben in Dänemark Erfolg, schaut euch das an, wir haben eine offene Gesellschaft, wir haben eine erste Generation von Immigranten, die aus weit entfernten Ländern nach Dänemark kommen, und die zweite Generation besucht höhere Bildungseinrichtungen, sie bezahlt Steuern – weil wir so eine nachhaltige Wohlfahrtsgesellschaft haben‘“. Denn das sei, was sie erlebe: Sie habe mit den Nachbarn „viel gemeinsam“. Das zähle mehr als „oberflächliche Unterschiede etwa bei der Religion“.
Dänemarks „Ghetto-Paket“ vor Gericht: „Ein Richterspruch würde uns alles bedeuten“
Ein Schlüsselfaktor im EuGH-Verfahren, wenn es dann im September startet, könnte das Gesetzeskriterium der „nicht-westlichen“ Herkunft werden. Susheela Math von der Open Society Justice Initiative sieht in diesem Passus eine „Ersatzformulierung für Rasse oder ethnische Herkunft“. Dafür könnte es tatsächlich Indizien geben: Neuseeland und Australien etwa zählen in „Gettopakken“ als „westliche Länder“, wie das dänische Innenministerium 2018 erklärte – trotz ihrer geografischen Lage. Die Juristin Math sieht das „Grundrecht auf Gleichbehandlung“ in Gefahr.
Für Felle hat der Fall eine große emotionale und symbolische Bedeutung: „Es würde uns immer noch viel oder sogar alles bedeuten, einen Richterspruch zu haben, der sagt: ‚Ihr wurdet unrechtmäßig behandelt.‘ Denn das ist, was ich fühle, und ich denke wirklich, dass das laut ausgesprochen werden muss.“ Felle hofft, dass „diese Art Gesetzgebung in Dänemark, und natürlich auch in der EU, verboten wird“.
Bewohnerinnen und Bewohner haben dem Viertel bereits den Rücken gekehrt – aus Zwang, Fatalismus oder Sorge vor einem Hin und Her, berichtet Felle. Aber es gebe weiterhin gute Kontakte, der gemeinsame Kampf habe auch zusammengeschweißt. Noch eins ist der Klägerin wichtig: Manchmal porträtierten die Medien die Menschen in Mjölnerparken als „Opfer“ des „Ghetto-Pakets“. „Natürlich sind wir Opfer des Gesetzes“, sagt Felle, „aber wir weigern uns, als Opfer behandelt zu werden. Wir kämpfen. Und wir nehmen unsere Rechte in Anspruch.“ Nun aber ist zunächst noch mehr Warten angesagt. Ein Urteil war schon vor der Anhörungs-Verschiebung frühestens für Ende 2024 oder 2025 erwartet worden. (fn)
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