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Angesichts zunehmender Konflikte zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland bzw. der EU gewinnt die Diskussion über einen möglichen offenen Handelskrieg mit den USA an Dynamik. Washington befinde sich auf "Kollisionskurs", heißt es in Kommentaren nach der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz; EU-Politiker kündigen ihrerseits an, man werde sich "von Trump nicht erpressen lassen". Mit Drohungen und dem Angebot, die Zölle auf Industriegüter zu senken, sucht Brüssel Washington zu einer Einigung zu bewegen. Hintergrund ist, dass die Kfz-Strafzölle, mit denen die Trump-Administration droht, eine ernste Gefahr für die Eurozone wären. Zwar äußern sich Branchenvertreter unterschiedlich über die direkten Folgen neuer Autozölle für die deutsche Industrie. Doch weisen Experten darauf hin, dass neue Handelshürden beim Export in die Vereinigten Staaten die EU zu einem heiklen Zeitpunkt träfen: Die Wirtschaft stagniere, der Brexit drohe Handelsverwerfungen hervorzurufen, Italien stecke in der Rezession; US-Strafzölle könnten das Fass leicht zum Überlaufen bringen.

"Stolz auf unsere Autos"

Angesichts zunehmender geostrategischer und handelspolitischer Konflikte zwischen Washington und Berlin gewinnt in der deutschen Öffentlichkeit die Diskussion über einen möglichen Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten an Dynamik. Die USA befänden sich mit der EU auf "Kollisionskurs", meldeten deutsche Wirtschaftszeitungen Mitte Februar anlässlich des kämpferischen Auftritts von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz.1 Begleitet von direkten Angriffen auf die Trump-Administration warnte Merkel vor einer Eskalation im schwelenden Handelsstreit. Es sei "erschreckend", dass die US-Regierung in Erwägung ziehe, Autoimporte in die Vereinigten Staaten als "Gefahr für die nationale Sicherheit" einzustufen, erklärte Merkel: Man sei in Deutschland "stolz auf unsere Autos". Die von "standing ovations" begleitete Rede der Bundeskanzlerin wurde einen Tag vor dem Abschluss eines Prüfberichts des US-Handelsministeriums gehalten, der sich mit der Frage beschäftigte, ob Kfz-Strafzölle erhoben werden sollen. Entgegen den ursprünglichen Planungen nahm der französische Präsident Emmanuel Macron an dem Auftritt nicht teil.

"Poker"

Trumps zentrales wirtschaftliches Wahlversprechen bestand darin, das enorme Handelsdefizit der Vereinigten Staaten von knapp 800 Milliarden US-Dollar zu verringern; es besteht zur Hälfte allein aus den Handelsüberschüssen Chinas und der Bundesrepublik. Nach der Übergabe des Prüfberichts an das Weiße Haus herrsche, weil der Inhalt noch geheim sei, Ungewissheit darüber, wie die Trump-Administration weiter vorgehen werde, heißt es nun: "Möglich ist alles, sicher ist nichts - ganz so, wie es dem US-Präsidenten gefällt."2 Trump wolle - das sei Teil seiner Verhandlungstaktik - Berlin "mit Drohungen aufschrecken und dann lange im Unklaren lassen". Es finde ein "Poker um deutsche Autos" statt, der rund 90 Tage dauern könne, urteilen Kommentatoren 3 - denn der US-Präsident habe nach der Übergabe des Berichts rund drei Monate Zeit, um konkrete Zollbestimmungen gegen europäische Fahrzeughersteller zu erlassen. Von den Strafzöllen, die 25 Prozent des Warenwerts betragen könnten, wären überwiegend deutsche Hersteller betroffen. Die EU-Kommission schätzt den Gesamtwert der europäischen Fahrzeug- und Autoteilexporte in die Vereinigten Staaten auf rund 50 Milliarden Euro jährlich.

Kfz-Branche in Gefahr?

Laut Einschätzungen deutscher Wirtschaftsinstitute könnten sich die Exporte der deutschen Autoindustrie in die USA bei Strafzöllen von 25 Prozent langfristig halbieren; das wiederum werde sich "spürbar auf die Ausfuhren insgesamt" auswirken.4 Die gesamten deutschen Kfz-Ausfuhren könnten sich in einem solchen Fall um 7,7 Prozent verringern; dies entspräche einem Wert von 18,4 Milliarden Euro. Die Wertschöpfung der deutschen Autoindustrie würde damit um fünf Prozent, rund sieben Milliarden Euro, sinken. Da die Kfz-Branche ein "Leitsektor der deutschen Volkswirtschaft" sei, würden solche Einbrüche schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für die Bundesrepublik insgesamt mit sich bringen, warnte ein Industrievertreter. Der Autoverband VDA sagte voraus, ein Handelskrieg werde nur Verlierer haben, da die Zölle nicht nur "für die europäische Automobilindustrie, sondern vor allem auch für die amerikanische" eine erhebliche Belastung seien. Reinhard Bütikofer, der deutsche Vorsitzende der europäischen "Grünen"-Partei, sprach sogar von einer wirtschaftlichen "Kriegserklärung an die EU und an Deutschland", sollte die Trump-Administration tatsächlich den Absatz der Autoindustrie mit neuen Zöllen erschweren.5

Alles halb so schlimm?

Diese Warnungen kontrastieren mit Einschätzungen von Branchenexperten, laut denen die Folgen des drohenden Handelskriegs für die deutsche Autoindustrie verschmerzbar wären.6 Deutsche Hersteller hätten demnach zuletzt nur 470.000 der 1,34 Millionen Autos, die sie in den Vereinigten Staaten abgesetzt hätten, tatsächlich in der Bundesrepublik gebaut. Die negativen Effekte der Zölle könnten durch das "Hochfahren" der Produktionskapazitäten in den USA oder in Mexiko wettgemacht werden, heißt es; dort wird ein großer Teil der deutschen Mittelklasse-Pkw für den US-Markt gefertigt. Überdies bestünden die direkten Autoexporte aus Deutschland in die USA überwiegend aus "Premiumkarossen", die "normalerweise einen unterdurchschnittlichen Nachfrageverlust erleiden, wenn die Preise steigen". Die Deutschen Hersteller könnten die Zölle einfach an den US-Verbraucher weitergeben, lautet das Kalkül.



"Bislang nur Handelsscharmützel"

Experten raten trotz solcher vereinzelt zu hörenden Entwarnungen davor, das Schadenspotenzial etwaiger Strafzölle nicht zu unterschätzen. So birgt laut Einschätzung des European Council on Foreign Relations (ECFR) eine Eskalation im transatlantischen Handelskonflikt ein substanzielles ökonomisches Risiko für die Eurozone.7 Die bisherige Politik der Trump-Administration habe - aller Rhetorik zum Trotz - den globalen Handel bisher nicht nachhaltig gestört, da auf protektionistische Vorstöße, etwa gegen Mexiko im Rahmen der Neufassung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA (jetzt: USMCA), zumeist schnelle Verhandlungen mit nur geringfügigen Veränderungen am Vertragstext gefolgt seien. Mit der EU habe Trump bislang ebenfalls nur "Handelsscharmützel" geführt. Sogar der Handelskrieg gegen China sei bislang nicht unkontrolliert eskaliert.

Die Eurozone in Gefahr

Für die EU bestehe nun allerdings angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Eintrübung sowie der anschwellenden politischen Unsicherheit bezüglich des britischen Austritts tatsächlich ein größeres ökonomisches Risiko. Der Handelsstreit mit Washington sei für sie "der mit Abstand gefährlichste", da er den Währungsraum in einem "unglücklichen Moment" treffe, in dem die Wirtschaft in Europa stagniere, Italien sich bereits in Rezession befinde, der Industriesektor der Bundesrepublik schrumpfe und die deutsche Autowirtschaft unter der verpatzten Umstellung auf neue Abgasrichtlinien leide. Ein ungeordneter Brexit Ende März könne den innereuropäischen Handel zusätzlich "ernsthaft stören"; etwaige Straffzölle aus Washington könnten dann den letzten Tropfen bilden, der dass Fass zum Überlaufen bringe. Der Währungsraum, in dem EU-Kritiker und -Gegner sich auf dem Vormarsch befänden, drohe dann in die Rezession zurückzufallen. Eine "Rückkehr der Eurokrise könnte dann nicht weit entfernt sein", warnt der ECFR, der zwar von keiner "starken Wahrscheinlichkeit" sprechen will, aber ein durchaus "gegebenes Risiko" sieht.

"Sehr weit fortgeschritten"

Entsprechend hat Brüssel schon Ende Januar mit Blick auf den sich abzeichnenden Handelskrieg die Rhetorik verschärft, um Washington zum Einlenken zu bewegen. Sollte die US-Administration tatsächlich Strafzölle gegen europäische Autos erlassen, sei man zum Gegenschlag bereit, warnte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström; man sei mit den "internen Vorbereitungen sehr weit fortgeschritten". Den Forderungen der USA, landwirtschaftliche Erzeugnisse in die Handelsgespräche aufzunehmen, erteilte Brüssel abermals eine Absage: Die Kommission habe bereits angekündigt, hieß es, sich "von Trump nicht erpressen lassen" zu wollen.8 Das Ende Januar angenommene Verhandlungsmandat der EU erstreckt sich demnach nicht auf Agrargüter, aber auf Zölle auf "Industriegüter" sowie auf "diverse Waren, einschließlich Kraftfahrzeuge", die im Durchschnitt bereits sehr niedrig verzollt würden. Im Schnitt fielen bei den Exporten von Industriegütern aus der EU in die USA Zölle in Höhe von lediglich 3,1 Prozent an, während Industriegüter aus den Vereinigten Staaten beim Import in die EU leicht höher - im Schnitt mit4,2 Prozent - verzollt würden. Eine Einigung entlastete die EU, die derzeit an allzu vielen Stellen unter Druck gerät.


Anmerkungen:
1 Annett Meiritz, Till Hoppe, Moritz Koch, Jens Münchrath, Torsten Riecke: Strafzoll-Drohung: Die USA gehen im Handelsstreit mit der EU auf Kollisionskurs. handelsblatt.com 17.02.2019.
2 David Böcking: Die Angst der deutschen Autobosse. spiegel.de 18.02.2019.
3 Max Hägler: Pokerspiel um deutsche Autos. sueddeutsche.de 18.02.2019.
4 Annett Meiritz, Till Hoppe, Moritz Koch, Jens Münchrath, Torsten Riecke: Strafzoll-Drohung: Die USA gehen im Handelsstreit mit der EU auf Kollisionskurs. handelsblatt.com 17.02.2019.
5 Branchenverband VDA sieht nur Verlierer. n-tv.de 19.02.2019.
6 US-Strafzölle auf deutsche Autos "verschmerzbar". n-tv.de 18.02.2019.
7 Sebastian Dullien: The underestimated economic threat from the White House. ecfr.eu 14.02.2019.
8 Jorge Valero: EU bereitet sich auf Auto-Handelskrieg mit den USA vor. euractiv.de 21.01.2019.


 
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  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Sonntag, 10.03.2019 - 01:55

Noch eine Anmerkung: Bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen den USA und der VR China bzgl. ihrer gegenseitigen Handelszugänge hatte die VR China den USA in Aussicht gestellt, die Importzölle auf Autos deutlich abzusenken. Davon würden ganz direkt die deutschen Autohersteller BMW und Daimler profitieren, denn unter den Autofabriken innerhalb der USA, die Fahrzeuge in die VR China exportieren, nehmen sie den ersten und zweiten Platz ein. Ob das so kommen wird, entscheidet sich vermutlich am 27.03.2019 beim Treffen von Xi und Trump in Florida.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Sonntag, 10.03.2019 - 01:08

Der eigentliche Handelskrieg läuft ganz woanders, nämlich zwischen den USA und der VR China. jW vom 09.03.2019 dazu: "Wie der chinesische Zoll gestern mitteilte, ist der Handel zwischen China und den USA in den beiden ersten Monaten 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum stark eingebrochen. Demnach schrumpfte die chinesische Ausfuhr in die Vereinigten Staaten um rund 9,9 Prozent, während die US-Exporte in die Volksrepublik sogar um 32,2 Prozent fielen. Im Ergebnis ist damit das US-Handelsdefizit, das die Trump-Administration eigentlich verringern wollte, erneut gestiegen und lag für die beiden ersten Monate 2019 bei 290 Milliarden US-Dollar." Mal abgesehen davon, dass 2018 wegen der bevorstehenden Restriktionen schon bestimmte Warengruppen zwecks Vorratshaltung in größerer Menge als üblich gehandelt wurden, zeigen die Zahlen, dass die bisherige Trumpsche Strategie im Außenhandel nicht wirklich aufgeht. Die US-Exporte gen China brechen ein. Wie die SZ am 06.03.2019 berichtete, stieg das Handelsbilanz-Defizit der USA im Jahr 2018 auf rund 621 Milliarden USD an. Das Defizit stieg damit um 68,8 Milliarden USD im Vergleich zum Jahr 2017. Link ...jetzt anmelden! The December figures show surpluses, in billions of dollars, with South and Central America ($3.5), Hong Kong ($2.2), Brazil ($0.8), United Kingdom ($0.6), and Singapore ($0.4). Deficits were recorded, in billions of dollars, with China ($38.7), European Union ($15.8), Mexico ($8.8), Germany ($5.7), Japan ($5.5), Italy ($3.0), South Korea ($1.7), Taiwan ($1.6), France ($1.5), India ($1.4), OPEC ($1.3), Saudi Arabia ($1.2), and Canada ($0.7). The deficit with China increased $3.2 billion to $38.7 billion in December. Exports increased $0.4 billion to $7.7 billion and imports increased $3.6 billion to $46.4 billion. The deficit with Mexico increased $2.1 billion to $8.8 billion in December. Exports decreased $1.3 billion to $21.1 billion and imports increased $0.8 billion to $29.9 billion. The deficit with India decreased $0.4 billion to $1.4 billion in December. Exports increased $0.6 billion to $3.3 billion and imports increased $0.3 billion to $4.7 billion. Quelle: Bureau of Economic Analysis (eine offizielle US-Regierungsseite) mit den Daten von 12-2018, Link ...jetzt anmelden! Da USMCA noch nicht ratifiziert wurde, lässt sich nicht so recht abschätzen, welche Auswirkungen das tatsächlich für die drei Partner jeweils haben wird. Bei den zollfreien Automobil-Exporten innerhalb des USMCA-Raumes wurde jedenfalls festgelegt, dass deren Bestandteile zu 75% im USMCA-Wirtschaftsraum gefertigt werden müssen. Zusätzlich wurde gemeinsam ein Lohn von 16 USD pro Stunde in mexicanischen Autofabriken festgelegt, den mind. 30% (später 40%) der Belegschaft erhalten müssen. - Der Standort Mexico dürfte aber für deutsche Autobauer, die den nordamerikanischen Markt beliefern wollen, damit trotzdem noch wesentlich attraktiver sein als die im Raum stehenden Zölle gegen PKW-Exporte aus der EU. VW/Audi und BMW haben dort ja bereits Standorte, Daimler zieht gerade mit Renault/Nissan in Aguascalientes ein gemeinsames Werk hoch. Daimler, VW und BMW haben aber auch in den (Niedriglohn-)US-Südstaaten eigene Werke, die man sicher weiter ausbauen wird, falls die Zölle in Kraft treten sollten. Vgl. Link ...jetzt anmelden! Link ...jetzt anmelden!


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Freitag, 08.03.2019 - 00:41

Die EU- bzw. BRD-Vertreter kurbeln die etwas schrille Handelskriegsrhetorik aus reiner Verhandlungstaktik an, vielmehr steckt da meiner Einschätzung nach nicht dahinter. Das ist so eine Mischung aus Pokerspiel, Betteln und Bitten, hilfloser Verzweiflung und Pfeifen im Walde, die die deutsche Exportwirtschaft da betreibt. Und für die deutsche Öffentlichkeit malt diese auch gerne mal Schreckensszenarien an die Wand, nicht zuletzt um auf diesem Wege staatliche Stützungsmaßnahmen zu begründen. Wie im Artikel beschrieben ("Einschätzungen von Branchenexperten"), werden halt die Kapazitäten der deutschen Autobauer in den USA und v.a. Mexico hochgefahren. Kurzfristig könnte diese Umstellung der Lieferkette durchaus Mehrkosten (= Renditesenkung) bedeuten, mittelfristig wird das den Export aber nicht wirklich behindern. Und die Luxusfahrzeuge von BMW, Porsche, Daimler werden sowieso weiterhin von jener US-Kundschaft, die sich solche Fahrzeugtypen heute wie morgen leisten kann, gekauft, selbst wenn da 50% Importzoll draufgeschlagen würde. Andersrum wird ein Schuh draus: Trump schießt der metallverarbeitenden US-Industrie mit seinem Vorhaben in den Fuß, da die auch mittelfristig auf Spezialstahl-Importe aus Europa angewiesen ist. Ob die zusätzlichen Arbeitsplätze in den deutschen Autowerken der Südstaaten dann die Verluste in anderen Industriebereichen der US-Wirtschaft ausgleichen werden, wird abzuwarten sein. Ich wäre da eher skeptisch. Bisher hat Trumps Wirtschaftspolitik noch keine spürbaren Erfolge im Außenhandel gezeitigt. Vgl: Link ...jetzt anmelden! Der deutsche Export gen USA ist um 1,72% (2018 im Vergleich zu 2017) gestiegen, der deutsche Import aus den USA um 5,73% gestiegen, v.a. wegen Abnahme von Frackingerdgas aus den USA (+672.71% bei Erdöl- und -gasimporten). Die deutschen Exporte sind immer noch etwa doppelt so groß wie die Importe aus den USA.