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der "SS-Opa" Otto Beisheim |
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Otto Beisheim ist verdammt reich. Der Multimilliardär hat mit seinem "Metro"-Konzern und der "Beisheim-Holding" (dazu gehören u.a. "Saturn", die Ketten "Kaufhof" und "Real" und der Baumarkt "Praktiker") ein Vermögen verdient, ist mittlerweile 82 Jahre alt und scheint, wie viele in die Jahre gekommene, erfolgreiche Menschen, über die Welt, die nach ihm sein wird, zu sinnen. Geld alleine macht ja bekanntlich nicht glücklich; nach dem Tode bleibt einem von all dem Zaster nichts.
Einem Mäzen jedoch, also einem Gönner, der sich philantropischer Projekte, junger Künstler oder gleich dem Gemeinwohl in Form von finanziellen Zuwendungen annimmt, wird nach Ablauf der biologischen Uhr immer noch Zuneigung, Aufmerksamkeit und Ehrung zuteil. Straßenbenennungen, Preisstiftungen, Widmungen, das ganze Pipapo. Otto Beisheim, Emporkömmling aus ganz kleinen Kreisen, dem selbst aufgrund der ökonomischen Situation seiner Eltern das Abitur versagt blieb, hat dies erkannt.
Und Otto Beisheim ist so reich, dass er damit nicht bis nach dem Tode warten muss. Er kann sich all diese Ehrungen zu Lebzeiten kaufen, und dies macht er auch:
- Die TU Dresden hat einen Saal nach ihm benannt, eine "Prof. Otto Beisheim Stiftung" an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eingerichtet und ihm dafür den Ehrendoktorhut übergestülpt und zum Professor honoris causa gemacht;
- die Wirtschaftshochschule WHU in Koblenz-Vallendar führt seit 1993 den Namenszusatz "Otto Beisheim Graduate School of Management"
- und in Berlin erstreckt sich auf best-location-Boden am Potsdamer Platz über mehrere Blocks das "Otto-Beisheim-Center".
Dergleichen gibt es noch mehr; eine seinen Namen tragende Stiftung, die "Otto-Beisheim-Stiftung" nämlich, verteilt Geld nach hie und da. Obendrein bekam Beisheim just in diesem November 2005 gleichzeitig die Ehrenbürgerschaft von gleich 5 Talgemeinden Tegernsees verliehen; der Name des Selfmademans und erfolgreichen Unternehmers wird also nicht so schnell in Vergessenheit geraten.
Doch genau mit den neuen Ehrenbürgerschaften und den Gemeinden Tegernsees hat der schöne Schein nun einen Sprung erhalten. Doch ganz von vorn: Beisheim offerierte dem "Gymnasium Tegernsee" 10 Millionen Euro als Spende. Direktor Oberholzner frohlockte, dies würde "Generationen von Schülern zugute kommen", der Kultusstaatssekretär Karl Freller nannte bei der Unterzeichnung der Stiftungsurkunde im August dieses Ereignis gar einem "Freudentag des bayerischen Bildungswesens".
Doch dann das Unfassbare - Schüler, Eltern und Lehrer protestierten.
Denn Otto Beisheim stellte für seine edle Gabe - wie immer - zwei Bedingungen: das Gymnasium müsse nach dem Spender, also ihm, benannt werden und fortan "Otto-Beisheim-Gymnasium" heißen, und - über seine Vergangenheit dürfe nicht diskutiert werden.
So weit, so gut - doch wenn eine Schule - noch zu Lebzeiten, so ungewöhnlich und möglicherweise gar geschmacklos dies auch sein mag - nach einer natürlichen Person benannt wird, wollen Schüler, Eltern und Lehrer wissen, um wen es sich da handelt. Ein Schulname soll schließlich idealerweise auch Programm sein und Vorbildcharakter besitzen. Problematisch wird dies insbesondere, wenn über die Person unschöne Gerüchte kursieren, die zumal mit Deutschlands finstersten Zeiten zu tun haben. Und so wurde das Kultusministerium um eine "Unbedenklichkeits-Bescheinigung" für den neuen Namensgeber gebeten.
Hier nun erstmal ein kurzer Schnitt; Ende des ersten Teils der Geschichte.Warum muss für Otto Beisheim eine Unbedenklichkeitserklärung eingeholt werden, wo der Mann doch ein Paradebeispiel deutscher Wirtschaftswunderkraft ist und eine lupenreine vom-Tellerwäscher-zum-Milliardär-Biographie vorweisen kann?
Seit Jahren schon wird über Beisheims Vita diskutiert. Im Lebenslauf des 1924 bei Essen als Sohn eines Gutsverwalters geborenen späteren Sattlerlehrlings klafft nämlich eine Lücke - ausgerechnet in den Jahren 1941 bis 1949. Beisheim selbst hat sich dazu nie geäußert.
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Werbeplakat für die "Leibstandarte" aus der Zeit des Faschismus |
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1994 recherchierte der Journalist Michael Radtke in Beisheims Vergangenheit. Das Resultat: Beisheim war in den letzten Kriegsjahren in der SS, und zwar in der "Leibstandarte Adolf Hitler", einer NS-Elitetruppe, zu der er sich als 18-jähriger meldete. Unterdessen wurden die Vorwürfe, die lange Zeit von Beisheim und Komplizen schlicht geleugnet wurden, vom Bundesarchiv und selbst der "Otto-Beisheim-Stiftung" zugegeben; laut Stiftungsvorsitzendem Erich Greipl war Beisheim jedoch lediglich im "untersten Dienstgrad" der SS tätig; ein ganz kleines Licht also.
Falls nun Journalist Radtke bei seinen Recherchen Recht hat, war Beisheim SS-Scharführer. Ein "Scharführer" war mitnichten der "unterste Rang" (dies wäre "Staffelbewerber" bzw. "Staffelanwärter", oder, weiter ausgelegt, "SS-Mann" gewesen), sondern gleichgestellt mit dem Wehrmachtsrang "Unterfeldwebel" - und damit ein Offizier. Für einen gut 20-jährigen keine schlechte Stellung, noch dazu in der "Leibstandarte", die für ihre hervorragende Ausstattung und besondere ideologische Zuverlässigkeit bekannt war.
Die "Leibstandarte-SS Adolf Hitler", kurz LSSAH oder auch LAH, wurde 1933 gegründet und bildete zunächst eine Art Leibwächtertruppe mit 120 Mitgliedern, die für den persönlichen Schutz Hitlers in der Reichskanzlei zuständig war. Schnell jedoch entwickelte sich die Privatarmee Hitlers, die - auf den "Führer" persönlich vereidigt und nicht einmal der Kontrolle durch die NSdAP unterstand - zur kriegstauglichen Elite-Einsatztruppe des "germanischen Ordens" SS. Am zweiten Weltkrieg nahm die "Leibstandarte" als motorisiertes Infanterieregiment teil; sie trägt die Verantwortung für zahlreiche Kriegsverbrechen im Westen wie im Osten, z.B. dem Malmedy-Massaker in Belgien an amerikanischen Kriegsgefangenen am 17. Dezember 1944.
Dies - und die Verstrickung Beisheims in die fanatisierte NS-Elitetruppe - ist soweit gesichert und durch Quellen des Bundesarchivs belegt. Spekulativ ist der Zeitabschnitt nach 1945, über den verschiedene Spekulationen kursieren.
Beisheim, wie erwähnt aus kleinen Verhältnissen kommend, startete in der frühen Bundesrepublik eine beispiellose Karriere. Ohne Startkapital..?
So stieß der Journalist Radtke bei seinen weiteren Recherchen über Beisheims Vergangenheit auf eine Schweigemauer - abgesehen von Kommentaren ehemaliger SS-Männer wie "der Otto mache das schon". Was mag "der Otto" nach Kriegsende denn so gemacht haben? NS-Verbrecher und hochrangige SS-Leute in's Ausland geschleust eventuell? Oder Vermögen transferiert? Es bleibt dunkel in Beisheims Vita; über die Jahre 1945 bis 1949 ist nichts bekannt außer Spekulationen und Andeutungen; erst gegen Ende der Dekade, passend zu Adenauers Ausspruch, man möge mit der "Naziriecherei doch langsam mal aufhören", taucht Beisheim wieder auf. Und macht zügig Millionen und Milliarden.
Der Rest seiner Geschichte ist hinreichend bekannt. Heutzutage lebt Otto Beisheim, der Vorzeigeunternehmer, Wirtschaftswunder-StartUp und Selfmademan, im Exil. Im Steuer-Exil natürlich, im schönen Kanton Zug in der Schweiz. Und schweigt beharrlich zu seiner Vergangenheit. Um die Zukunft freilich macht er sich Gedanken.
Nun zu Teil 2 der Geschichte - wie geht es weiter im schönen Tegernsee-Gymnasium?
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Die "Leibstandarte-SS Adolf Hitler" bei einem Aufmarsch. |
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Die Anfrage beim Kultusministerium nach der kritischen Vergangenheit Beisheims bestätigte die umstrittenen Punkte in seiner Biographie. Der Schulleiter Oberholzner "habe trotzdem versucht, die Vorwürfe zu entkräften", so der Direktor: "Ich möchte seine Vergangenheit nicht kriminalisieren, schließlich ist Beisheim außer dieser Mitgliedschaft kein unrühmliches Verhalten vorzuwerfen."
Mit äußerst knapper Mehrheit billigt zunächst ein Elternbeirat und dann auch das Lehrerkollegium die Umbenennung; Otto Beisheim hingegen hat genug von den nervigen Wühlereien in seiner Vergangenheit - er zieht sein Spendenangebot augenblicklich zurück.
Fortan geht ein Riss durch das beschauliche Tegernsee-Gebiet. Auf der einen Seite stehen kritische Lehrer, Eltern und Schüler, die sich nicht einfach so mit 10 Millionen vn einer mehr als fragwürdigen Person kaufen lassen wollen; auf der anderen Seite ein Bündnis aus CSU, den Bürgermeistern der fünf Gemeinden, in denen Beisheim jüngst auch noch zum Ehrenbürger gemacht wurde, und einigen Anwohnern, die in den Leserbriefspalten gegen die "Volksschädlinge" und kritischen Lehrer wettern, die "schnellstmöglich um Versetzung" in andere Schulen bitten sollten. "Ein rabenschwarzer Tag für den ganzen Landkreis", so CSU-Landrat Kerkel.
Von den Anhängern und Freunden der schnellen Mark wird Beisheim derzeit mit Schmeicheleien, die seinen Entschluß rückgängig machen sollen, überschüttet. Schülervertreter sammelen Unterschriften, Luftballons mit Briefchen an den "lieben Opa Beisheim" gehen in die Höh'. Und als Anwälte derer, "die noch gar nicht geboren sind", demonstrierten Schüler, Eltern, Landrat und die Bürgermeister, "dass wir hinter Beisheim stehen".
Opfer des ganzen Aufruhrs sind diejenigen, die sich jetzt Hasstiraden in den Lokalblättern ausgesetzt sehen, wie einige kritische Lehrer, Eltern und Schüler. Die nicht bereit sind, ohne Hinterfragung und demokratisches Entscheidungsfindungsverfahren einem Emporkömmling mit äußerst zweifelhafter Vergangenheit seinen Ego-Trip zu ermöglichen - selbst wenn er 10 Millionen dafür bietet.
Der "liebe Opa" hat sich zur Causa bisher nicht weiter geäußert. Doch wenn's für das Tegernsee-Gymnasium einen neuen Namen braucht - da gibt es Geeignetere als den windigen Milliardär, abgeschmackten Egomanen und ehemaligen SS-Mann Beisheim, der sich Ehrungen kaufen muss und sicher sehr gut weiß, warum er einige Jahre seines Lebens besser verschweigt. Solche zum Beispiel, die dem Regiment des deutschen Faschismus zum Opfer fielen und um deren guten Ruf es keiner Millionen bedarf, weil sie vor der Geschichte ihre Aufrichtigkeit und Standfestigkeit hinlänglich bewiesen haben.
Links zum Thema:
- SPIEGEL ONLINE zum Schul-Streit vom 11.11.2005
- SPIEGEL ONLINE zum Schul-Streit vom 06.12.2005
- "Freitag" zum Berliner "Beisheim-Center" vom 06.01.2004
- Indymedia zur TU Dresden vom 05.08.2005